Geotropismus, Umorientierung der Wachtumsrichtung

Missbildungen und Mutationen an Pilzen können hier vorgestellt werden - Forumsstart 14.03.2009
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Gerd †
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Geotropismus, Umorientierung der Wachtumsrichtung

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Pilzfreunde,

Ich zeige (Dank an Wilhelm für die Bereitstellung der Bilder) am Beispiel von „Fomes fomentarius“ (Echter Zunderschwamm), dass sich die Wachstumsrichtung eines Fruchtkörpers ändern kann. Nachfolgend zwei Ansichten des gleichen Fruchtkörpers:
Fomes fomentarius 2 GEES 8.5_g.jpg
Fomes fomentarius 2 GEES 8.5_g.jpg (77.83 KiB) 10608 mal betrachtet
Fomes fomentarius 3, heliotrop verdreht. GEES 8.5_g.jpg
Fomes fomentarius 3, heliotrop verdreht. GEES 8.5_g.jpg (76.8 KiB) 10583 mal betrachtet
- Die Ursache ist leicht verständlich:

---> Die Wachstumsrichtung des Fruchtkörpers eines Basidiomyzeten (Ständerpilz) wird vor allem durch „Schwerkraft“ und „Licht“ bestimmt, wobei der Einfluss der Schwerkraft dominiert.

---> Der Fruchtkörper bringt deshalb sein Hymenophor (Lamellen, Röhren, Poren, Stacheln) in eine Position, die einen +-freien/unbehinderten Ausfall/Abwurf der Sporen in Richtung „Erdboden“ zulassen. Die Ausrichtung des Hymenophors zum Erdboden hin wird als “Geotropismus“ bezeichnet.
------------

Doch jetzt zurück zu dem gezeigten „Zunderschwamm“ und der Frage, warum das Hymenium dieser mehrjährigen Pilzart umorientiert wurde.

---> Die Antwort ist ganz einfach und kann leicht durch eine „Lageänderung“ des Substrats erklärt werden:

(1) Ursprünglich lag das Substrat so, dass die „Poren“ des Fruchtkörpers mehrere Vegetationsperioden (mindestens 7, man zähle die Zuwachskanten!) normal in Richtung Erdboden ausgerichtet waren.

(2) Doch dann wurde die Lage des Substrats (aus welchen Gründen auch immer!?) verändert und die geotrope Ausrichtung der Poren gestört.
---> Der Fruchtkörper hat darauf reagiert und versuchte in den nachfolgenden Vegetationsperioden durch Neuorientierung der „Porenausrichtung“ einen freien „Sporenausfall“ sicher zu stellen.

- Tja, derartig „umorientiertes Wachstum“ habe ich auch bei anderen „mehrjährigen, pileat an Holz wachsenden Pilzarten“ (z.B. Fomitopsis pinicola, Rotrandiger Baumschwamm), werden auch bei [1] erwähnt, schon mehrfach beobachtet.
-------------

- Weit daneben, wenn man nun annimmt, dass eine derartige „Umorientierung“ nur bei „pileaten, an Holz wachsenden Pilzarten“ beobachtet werden kann. Ich nenne einmal ein paar Beispiele, die vermutlich jeder Pilzfreund schon beobachtet hat:

(1) Auch abgerissene Blätterpilze (Sammelgut), z.B. Amanita (Wulstlinge), Pluteus (Dachpilze), Volvariella (Scheidlinge) etc. sind noch zu einer „geotropischen“ Reaktion fähig und versuchen durch Stielverkrümmung die Lamellen erneut in eine für den „Sporenabwurf“ optimale Lage zu bringen.
---> Eine derartig „nachträgliche“ geotrope Ausrichtung scheint bei „festfleischigen/dickblättrigen“ Arten (z.B. Lactarius vellerus) zu fehlen.

(2) Übrigens, auch „büschelig wachsende“ Pilzarten (z.B. Hallimasch, Stockschwämmchen, Schwefelköpfe etc) krümmen in der Entwicklungsphase ihre Stiele (damit sich die Hüte nicht gegenseitig behindern) , um die Lamellen in eine für den Sporenabwurf günstige Lage zu bringen.

(3) Interessant in diesem Zusammenhang ist nach [1] evtl. noch:

(a) Bei z.B. mehrjährigen „Phellinus“ (Feuerschwamm)- oder Ganoderma (Lackporling)-Arten“ wurde eine geotrope „Anpassung“ noch nicht beobachtet.

(b) Aber auch bei langsam wachsenden „einjährigen“ Pilzarten, z.B. Gloeophyllum sepiarium (Zaunblättling); Polyporus squamosus (Schuppiger Porling), Piptoporus betulinus (Birkenporling), konnten derartige Reaktionen/Regenerationen auf „Lageverändereung“ beobachtet werden. Derartige „Umorientierungen“ sind naturgemäß äußerst selten, da sie nur entstehen können, wenn während der wenigen Wochen Entwicklungszeit der Fruchtkörper eine Lageveränderung des Substrats eintritt.
--------------

So nebenbei: [1] erwähnt noch, dass sog. „secotioide (in Hut und Stiel gegliederte) Basidiomyceten“ (die überbrücken den „Übergang zu den Bauchpilzen), keine geotopische Regenerationsneigung zeigen.
---> Doch darauf einzugehen, dass erspare ich mir.

[1]Literatur:[/url]

Michael – Hennig – Kreisel (1983): Handbuch der Pilzfreunde Band V

Liebe Grüße
Gerd

Nachtrag: 23:50Uhr:

"Alzheimer läßt grüßen" Ich hatte vergessen noch etwas zum Lichteinflusss (z,B. Agaricus (Champignon)- oder Coprinus (Tintling)-Kulturen zu erwähnen:

- Die Auswirkung kann man in einseitig belichteten Kellerräumen beobachten. Der Stiel wächst schräg zum Kellerfenster und erst dann wird dere Hut normal "geotrop" ausgerichtet.
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
Sandor
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Re: Geotropismus, Umorientierung der Wachtumsrichtung

Ungelesener Beitrag von Sandor »

Hallo Gerd,

Harry hat auch mal was darüber gebracht. Schau mal hier:

viewtopic.php?f=25&t=3009&hilit=Geotropismus

Gruß
Sandor
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Gerd †
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Re: Geotropismus, Umorientierung der Wachtumsrichtung

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Sandor,
Sandor hat geschrieben: Harry hat auch mal was darüber gebracht. Schau mal hier:

viewtopic.php?f=25&t=3009&hilit=Geotropismus
- Danke für diesen Link, auf dem weitere Beispiele gezeigt werden.

- Wie bereits von HARRY erwähnt, startete hier die Fruchtkörperbildung (man sieht das sehr gut an der Lage der Porenschicht bezogen auf die Längsachse des Stamms) am noch stehenden Stamm. Und die Umorientierung erst nach dem Fällen/Umstürzen (!?) des Baums.
---> Man sieht sehr schön Porenschichten, die um etwas 90° gegeneinander versetzt sind. Nicht sicher beurteilen kann ich, ob beide jüngeren Fruchtkörper durch Umorientierung des "älteren" Fruchtkörpers entstanden sind oder es sich wenigstens bei dem vorderen Fruchtkörper um einen neuen/zusätzlich "aus dem liegenden Stamm wachsenden Fruchtkörper" handelt.
---> Ist aber auch nicht so wichtig, da die unterschiedliche Ausrichtung der Porenschichten eindeutig auf eine Lageveränderung des Substrats zurückzuführen ist.
-----------------------

- Auf meinem Bild, wenn ich die Lage der "Porenschicht mit der Längsachse des Stamms vergleiche und auch das "Umwachsen des Ästchen" beachte, sieht es so aus, als wenn sich der "ursprüngliche" Fruchtkörper erst nach dem "Fällen/Umfallen" des Baums entwickelt hat, und die Umorientierung durch eine "Nachträgliche" Drehung des Stamms verursacht wurde.

Ich zeige einmal 2 Bilder, bei denen keine "Umorientierung der Wachstumsrichtung am gleichen Fruchtkörper" zu beobachten ist, wohl aber die "geotropische Ausrichtung" der Sporenschichten:

(1) Fruchtkörperbildung (Fomes fomentarius) am stehenden Stamm, der übrigegens (kann man häufig beobachten!) kurz darüber abgebrochen war:
DSCN3137_g.jpg
DSCN3137_g.jpg (186.86 KiB) 10511 mal betrachtet
(2) Fruchtkörperbildung (Fomes fomentarius und Fomitopsis pinicola) erst am liegendem Stamm:
DSCN3140_g.jpg
DSCN3140_g.jpg (197.55 KiB) 10525 mal betrachtet
Grüße
Gerd
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Gerd †
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Re: Geotropismus, Umorientierung der Wachtumsrichtung

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Nachtrag:

Noch wenige Kommentare zu dem Bild von Andreas viewtopic.php?p=12456#p12456

- Auch hier sieht man sehr schön, dass sich bereits 2 "ältere" Fruchtkörper (Echter Zunderschwamm) am stehenden Stamm entwickelt haben und der größere davon die "Wachstumsrichtung der Poren" nach Fällen/Umfallen des Baums umorientiert hat.

- Diese Umorientierung verläuft übrigens nicht langsam.
---> Die Poren werden bereits in der ersten Vegatationsperiode nach der Lageänderung des Substrats "geotrop" (zum Erdboden gerichtet) ausgerichtet.

- Und (---> mein im Erstbeitrag gezeigtes Bild), bei der Regeneration und Neuausrichtung können mehrere isoliert stehende Fruchtkörperzuwächse entstehen.

Beste Grüße
Gerd
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emmess2006
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Re: Geotropismus, Umorientierung der Wachtumsrichtung

Ungelesener Beitrag von emmess2006 »

Hi und hallo,

bei unserem heutigen Sonntags-Waldspaziergang ist mir dieser Birkenstamm aufgefallen. Oder besser gesagt: das, was auf ihm wuchs. Ich gehe mal davon aus, dass es sich hier auch um Geotropismus handelt. Man sieht Fruchtkörper, die parallel zum Stamm ausgerichtet sind und solche, die quer zu ihm gewachsen sind.
Oder befinde ich mich da im Irrtum?

Vielen Dank für die Aufklärung,
lieber Gruß,
Meinhard
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Harry
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Re: Geotropismus, Umorientierung der Wachtumsrichtung

Ungelesener Beitrag von Harry »

Hallo Meinhard,

da unser Spezialist für diese Fälle nicht antwortet tue ich es mal in Vertretung.

Ja, auch hier handelt es sich um Geotropismus. Interessant an deinem ersten Foto ist, das aus dem ürsprünglichen Fruchtkörper gleich mehrere kleinere wachsen. So hab ich das auch noch nicht gesehen.

Danke fürs zeigen. :su:

Gruß
Harry
Dass man immer noch lernen kann ist herrlich, und auch dass man andere dazu braucht.
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Gerd †
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Re: Geotropismus, Umorientierung der Wachtumsrichtung

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Meinhard,

zuerst einmal herzlichen Dank, dass du diese Bilder eingestellt hast.

- Und dann entschuldige bitte, dass ich erst heute antworte. Aber ich war jetzt mehr als eine Woche außer Haus (2 Tage Pilzkartierung mit Peter Karrasch(Karl Keck, fast eine Woche bei meinen Enkeln, dann Diensteinsatz beim Sommerfest des Sportvereins und Gestern Abschluss mit meiner Gymnastikgruppe vor den Ferien).
emmess2006 hat geschrieben: bei unserem heutigen Sonntags-Waldspaziergang ist mir dieser Birkenstamm aufgefallen. Oder besser gesagt: das, was auf ihm wuchs. Ich gehe mal davon aus, dass es sich hier auch um Geotropismus handelt. Man sieht Fruchtkörper, die parallel zum Stamm ausgerichtet sind und solche, die quer zu ihm gewachsen sind.
Oder befinde ich mich da im Irrtum?
- Lass mich deine Bilder aus meiner Sicht einzeln bewerten:

Eine Anmerkung vorab:

- Grundsätzlich versuchen "Porlinge" die Porenschicht so auszurichten, dass die Poren parallel zum Erdboden ausgerichtet werden. Und bei einer Lageveränderung des Substrats reagieren sie recht schnell darauf, die Poren erneut so auszurichten.
---> Der Grund ist klar: Durch diese Ausrichtung werden die Poren in eine Lage gebracht, die einen möglichst freien und ungehinderten Ausfall der Sporen ermöglichen. Und das bezeichnet man als Geotropismus.

Bild 1:
- Wenn ich das Bild korrekt interpretiere, dann zeigst du einen umgefallenen "Birkenstamm" auf dem ein mehrjähriger "Fomes fomentarius (Echter Zunderschwamm)" fruktifiziert.
---> Der große "obere" Fruchtkörper hat sich bereits am noch stehenden Stamm entwickelt. Und die Poren laufen parallel zum Stamm, sodass die Sporen frei herausfallen können.
---> Nach dem Umfallen des Stamms hat der Fruchtkörper "geotropisch" (auf die Schwerkraft) reagiert und versucht, die Poren erneut optimal auszurichten. Nur, und dies ist nicht so selten (ein Beispiel habe ich bereits in meinem Anfangsbeitrag gezeigt) wurde hier nicht der gesamte Fruchtkörper neu ausgerichtet, sondern aus der "Fruchtschicht" wurde mehrere kleinere Fruchtkörper gebildet, die optimal ausgerichtet sind.

Bild 2:
- Bei dieser Birke (die Wurzel liegt rechts) wurde der untere Fruchtkörper (m.E. Fomes fomentarius, echter Zunderschwamm) auch bereits am stehenden Stamm gebildet.

- Interessant ist hier die Ausrichtung der beiden oberen Fruchtkörper, deren Poren nach dem Umfallen des Stamms nicht zum Erdboden zeigen. Für mich gibt es da nur eine plausible Erklärung:
---> Der Stamm wurde erst vor Kurzem (mit Sicht auf das Bild) um 90% zum Betrachter hin gedreht.
---> Und ich bin mir da sehr sicher: Wenn du diesen Stamm weiter beobachtest, wirst du feststellen, dass sich die Poren erneut an die geänderte Lage anpassen und "geotropisch" ausrichten. Ob sich dabei, wie in deinem ersten Bild gezeigt, mehrere Fruchtkörper bilden oder die Fruchtkörper um 90% abgewinkelt weiterwachsen kann ich nicht beurteilen.

Bild 3:
- Das ist ja das reinste Chaos und zeigt m.E. gleich mehrere Pilzarten. Ich versuch es einmal:

(1) Ganz offensichtlich haben sich bereits zwei "graue" Fruchtkörper (m.E. auch Fomes fomentarius, Echter Zunderschwamm), der kleine linke, obere Fruchtkörper und der größere Rechte bereits mehrjährig vor dem Umfallen der Birke entwickelt. Und die Wurzel müßte links im Bild sein.

(2) Und bei dem rechts etwas unterhalb neben dem größeren Zunderschwamm liegenden (ich vermute da eher) Ganoderma applanatum (Flacher Lackporling) Zunderschwamm vermute ich auch stark, dass dieser Fruchtkörper bereits vor dem Umfallen des Baums entstanden ist.

(3) Tja, da gibt es noch einen zwischen den bereits erwähnten "Zunderschwämmen" liegenden "Zunderschwamm" (halte das für einen "Flachen Lackporling"), bei dem die Porenschicht nicht geotropisch ausgerichtet ist.
---> Meine Einschätzung ist hier ganz simpel: Das war der erste Fruchtkörper, der nach dem Umfallen des Baums bebildet wurde.

(4) Und nach meiner Einschätzung wurde der Stamm (keine Ahnung warum) anschließend um 90% gedreht. Dies ist m.E. leicht nachvollziehbar, wenn man sich die Porenausrichtung des kleinen bisher noch nicht erwähnten "Zunderschamm" (links im Bild) und den "Birkenporling" (Piptoporus betulinus) (rechts im Bild) anschaut.

@Meinhard:
- "BINGO", du hast m. E. deine Bildungsabweichung völlig korrekt erkannt.

Beste Grüße
Gerd

@HARRY:
- Herzlichen Dank, dass du zwischenzeitlich geantwortet hat.
---> Aber als "Experten/Spezialist" auf diesem Gebiet würde ich mich noch nicht bezeichnen.
---> Na ja, ich bemühe mich aber, die Anfragen (im Rahmen meiner bisherigen Kenntnissen/Einschätzungen) so gut wie möglich zu beantworten.
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Re: Geotropismus, Umorientierung der Wachtumsrichtung

Ungelesener Beitrag von emmess2006 »

Hi Gerd,

vielen Dank für die gewohnt ausführlichen Informationen. Ist schon ein interessantes Thema. Ich habe mal vor Jahren einen flach auf dem Waldboden liegenden Baumstumpf gesehen, der mit Stockschwämmchen o. ä. bewachsen war. Nach einigen Tagen fand ich den Stumpf wieder. Anscheinend hatte irgendein Witzbold des Stumpf in die Senkrechte befördert und die Pilzchen müssen sich gedreht haben, denn die Hüte zeigten wieder Richtung Himmel. ;) Damals fand ich das einfach nur witzig, heute ärgere ich mich, dass ich das nicht abgelichtet hatte. Außerdem stellt sich mir die Frage, ob man das auch als Geotropismus bezeichnen kann, wenn eine Pflanze, die - z. B. in einem Blumentopf - um die Achse verdeht wird, ihre Blätter oder auch Blüten ebenfalls verdreht, damit sie wieder zur Sonne bzw. zur Helligkeit zeigen. :?:

Lieber Gruß,
Meinhard
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Gerd †
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Re: Geotropismus, Umorientierung der Wachtumsrichtung

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Meinhard,
emmess2006 hat geschrieben: Ich habe mal vor Jahren einen flach auf dem Waldboden liegenden Baumstumpf gesehen, der mit Stockschwämmchen o. ä. bewachsen war. Nach einigen Tagen fand ich den Stumpf wieder. Anscheinend hatte irgendein Witzbold des Stumpf in die Senkrechte befördert und die Pilzchen müssen sich gedreht haben, denn die Hüte zeigten wieder Richtung Himmel. ;) Damals fand ich das einfach nur witzig, heute ärgere ich mich, dass ich das nicht abgelichtet hatte.
- Na klar, auch "Blätterpilze" versuchen die Lamellen so auszurichten, dass die Stellung der Lamellen einen möglichst freien Fall der Sporen zulassen. Und bei "büschelig" wachsenden Pilzarten versuchen sie durch entsprechende eine gegenseitigen Behinderung der Hutbildung zu vermeiden.

- Übrigens kann man z.B. bei bereits gesammelten im Korb abgelegten Amanita-Arten (Wulstlingen) gut beobachten, dass sich der Stiel recht schnell krümmt und dadurch Hut/Lamellen erneut "geotropisch" ausgerichtet werden. Und auch bei der "Missbildung" Stielverwachsung (Pseudofasciation) kann man beobachten, dass die Stiele nach der Verwachsung seitlich ausweichen, damit normale, vollständig ausgebildete, positiv geotropisch ausgerichtete Hüte gebildet werden können.
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emmess2006 hat geschrieben: Außerdem stellt sich mir die Frage, ob man das auch als Geotropismus bezeichnen kann, wenn eine Pflanze, die - z. B. in einem Blumentopf - um die Achse verdeht wird, ihre Blätter oder auch Blüten ebenfalls verdreht, damit sie wieder zur Sonne bzw. zur Helligkeit zeigen. :?:
- Nein, dieses Verhalten kann man nicht als "Geotropismus" bezeichnen, da die Ausrichtung der Blätter nicht über die Erdschwerkarft geregelt wird.
---> Aber auch dafür gibt es einen Fachausdruck: "Positiver Phototropismus".
---> Die Blätter werde dabei so ausgerichtet, dass eine möglichst hohe "Photosynthese"-Leistung möglich wird.

Grüße
Gerd
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Re: Geotropismus, Umorientierung der Wachtumsrichtung

Ungelesener Beitrag von emmess2006 »

Hi Gerd,

vielen Dank für die aufschlussreiche Antwort - auch, wenn das Danke etwas spät kommt. :oops:
Ich war heute mal wieder bei dem interessanten Birkenstamm und habe noch mal die dreierlei Wachstumsrichtungen des einen Fruchtkörpers aufgenommen - das war auf den ersten Fotos etwas untergegangen.

Lieber Gruß,
Meinhard
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IMG_1646_800.JPG
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IMG_1645_800.JPG
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Re: Geotropismus, Umorientierung der Wachtumsrichtung

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Meinhard,
emmess2006 hat geschrieben: Ich war heute mal wieder bei dem interessanten Birkenstamm und habe noch mal die dreierlei Wachstumsrichtungen des einen Fruchtkörpers aufgenommen - das war auf den ersten Fotos etwas untergegangen.
- Herzlichen Dank für diese Bilder. Sie bestätigen m.E. meine bereits geäußerte Vermutung:
Gerd hat geschrieben: Bild 2:
- Bei dieser Birke (die Wurzel liegt rechts) wurde der untere Fruchtkörper (m.E. Fomes fomentarius, echter Zunderschwamm) auch bereits am stehenden Stamm gebildet.

- Interessant ist hier die Ausrichtung der beiden oberen Fruchtkörper, deren Poren nach dem Umfallen des Stamms nicht zum Erdboden zeigen. Für mich gibt es da nur eine plausible Erklärung:
---> Der Stamm wurde erst vor Kurzem (mit Sicht auf das Bild) um 90% zum Betrachter hin gedreht.
---> Und ich bin mir da sehr sicher: Wenn du diesen Stamm weiter beobachtest, wirst du feststellen, dass sich die Poren erneut an die geänderte Lage anpassen und "geotropisch" ausrichten. Ob sich dabei, wie in deinem ersten Bild gezeigt, mehrere Fruchtkörper bilden oder die Fruchtkörper um 90% abgewinkelt weiterwachsen kann ich nicht beurteilen.
Und ich versuch nochmals deine m.E. jetzt noch eindeutigeren Bilder zu analysieren:

(1) Du zeigst liegende Stämme die mit Blickrichtung zur Basis aufgenommen wurden.
---> Sieht man recht gut an der Porenschicht des rechtsliegenden (am noch stehenden Stamms entwickelten) Fruchtkörperteil, dessen Porenschicht "geotropisch ausgerichtet" hinten liegt.

(2) Der mittlere Anteil zeigt die "geotropische" Anpassung des Fruchtkörpers nach dem "Fällen/Umfallen" des Stamms. Die +-senkrecht nach oben zeigende Sporenschicht (liegt links) zeigt an (beachte, die Porenschicht wird "geotropisch" ausgerichtet!) , dass der Stamm nach dem "Fällen/Umfallen" ursprünglich um fast 90° entgegen des Uhrzeigers auf dem Boden lag.

(3) Und aus welchen Gründen auch immer wurde der Stamm anschließend um ca. 90° in Uhrzeigerrichtung gedreht.
---> Sieht man sehr schön, da der linke, jüngste Fruchtkörperteil jetzt eine "geotropisch" zum Boden ausgerichtete Porenschicht ausbildet.

Beste Grüße
Gerd

PS.:

- Ich hoffe, dass meine Analyse nachvollziehbar ist.
- Und mich erstaunt immer wieder, wie schnell z.B. "Zunderschwamm" und "Rotrandiger Baumschwamm" auch auf eine erheblich geringere "Drehung" des Substrats einstellen und wenn man genauer hinschaut bereits Änderung von ca. 30° deutlich erkennbar sind.
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
Boletus1
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Registriert: Fr 26. Nov 2010, 11:04
Kamera: Panasonic Lumix FZ 50

Re: Geotropismus bei Fomotopsis pinicola

Ungelesener Beitrag von Boletus1 »

Hallo

Über diese Exemplare bin ich am letzten Wochenende gestolpert:
Bild

Viele Grüsse
Sepp
Zuletzt geändert von Boletus1 am Di 30. Nov 2010, 07:14, insgesamt 1-mal geändert.
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