2 Beispiele einer morchelloiden Prolifikation
Verfasst: Mo 22. Apr 2019, 14:30
Hallo Fans des „Gruselforums“,
ich zeige heute zwei Pilzanomalien von Dr. IRMGARD KRISAI-GREILHUBER („funga-austria.at“-Forum ---> https://funga-austria.at/viewtopic.php? ... p=736#p725 ), die mir erlaubt hat diese Aufnahmen hier zu zeigen.
Bild 1.: Hydnum repandum.
Bild 2.: Hebeloma spec.
----------------------------------------------------------------------
Man kann erkennen, dass es sich in beiden Fällen um eine „morchelloide Prolifikation“ (*) handelt. Ein rel. seltener Missbildungstyp, den wir hier schon mehrfach gezeigt haben.
(*) [5] nennt diese Bildungsabweichung übrigens „Proliferation“, weist aber darauf hin, dass in der Mykologie meist der Begriff „Prolifikation“ bevorzugt wird. Der Begriff „Prolifikation“ stammt von ---> prolifer (lat.), prolifère (frz.) = „wuchern“ ab.
------------------------------------------
[1] bezeichnet den hier gezeigten Extremfall einer Prolifikation als "morchelloide Bildung/Form)", bei der die gesamte Hutoberfläche von mannigfach deformierten Hymenophoren überzogen wird: unregelmäßig verlaufende, unterbrochene oder gefaltete, oft wabenartig vernetzte Lamellen; der Hut ist so weit nach unten gebogen, dass er eine Kugelform annimmt und sein Rand den Stiel berührt.
[6] stellt fest: „ Bei den morchelloiden Formen kleidet das abnorme Hymenium mannigfach gewundene Gänge, Alveolen, Leisten oder Gruben aus, die den ganzen Hut bedecken oder, wenn sie auf einzelne Partien der Hutoberfläche beschränkt bleiben, nicht durch besondere dem Hutfleisch gleiche Gewebepartien begrenzt und umgrenzt sind, niemals in becher- oder schüsselförmigen ungestielten oder gestielten Bildungen auftreten.“ Unterschieden werden 3 Grundtypen:
Typus 1:
- Die gesamte Hutoberfläche ist mit morchelloiden Bildungen bedeckt. Der Hut wird nach unten gebogen, nimmt eine kugelförmige Gestalt an und sein Rand berührt den Stiel.
Typus 2:
- Die Hutoberfläche mit Ausnahme des Hutrands ist mit morchelloiden Bildungen bedeckt. Der Hut wird glockenförmig verbogen.
Typus 3:
- Die morchelloide Hymeniumbildung beschränkt sich nur auf kleinere Partien der Hutoberfläche. Eine kugel-/glockenförmige Verformung des Huts findet nicht statt.
„Winterlibelle“ aus dem Naturforum hat und Bilder (---> viewtopic.php?f=34&t=6918&p=29648&hilit ... lle#p29581 ) einer fortschreitenden morchelloiden Entwicklung von „Laccaria amethystina zur Verfügung gestellt. Besonders spannend finde ich, dass die Entwicklung hier am Hutrand startet und nicht wie üblich am Hutscheitel. Das erklärt auch, warum der Hut rel. früh eine kuglige Form annimmt.
25.10.2015
31.10.2015
04.11.2015
Diese Bilder zeigen nach meiner Beurteiungg, dass es sich bei den genannten Grundtypen nur um unterschiedliche Altersstufen einer morchelloiden Entwicklung
handelt.
-------------------------------------
[/b]Über die Ursache einer „morchelloiden“ Hymenophor-Wucherung herrscht Unklarheit:[/b]
[1] diskutiert folgende Ursachen:
(1) Gendefekt (Mutation) durch „Virenbefall(!?)
- Dieser Ursache liegt nahe, da im Labor bei bestimmten Myzelien oder Kulturstämmen jahrelang eine „Prolifikation“ beobachtet wurde.
(2) Witterungseinflüsse
- Z.B. plötzlich einsetzende Regenfälle im Spätherbst, die eine randliche Wiederbelebung des Wachstums bereits vorhandener Fruchtkörper auslösen.
---> Dazu habe ich etwas in meiner Literatur gefunden:
[3] zeigt eine "morchelloide Prolifikation" eines Fruchtkörpers, der sich nach mikroskopischer Bestimmung als Violetter Lacktrichterlings (Laccaria amethistina) entpuppte. Er berichtet über seinen Versuch, diesen Fruchtkörper über Nacht für A. Bollmann zu retten und legte den Fruchtkörper "auf feuchtes Papier in einer Plastikdose in den Kühlschrank".
---> Doch oh Wunder: Der Fruchtkörper hatte sich über Nacht zu einem "+-normalen Lacktrichterling" umentwickelt. Dies würde die These stützen, dass auch Umwelteinflüsse eine derartige Missbildung verursachen können.
(3) Lichtmangel
Ich zitiere [6]: „Bemerkenswert ist nun aber, dass auch Formen, die von den vorstehend beschriebenen morchelloiden Formen nicht zu unterscheiden sind bei einer Agaricacee unter ähnlichen Wachstumsbedingungen beobachtet wurden.Bisher liegen nur über eine Art, Tricholoma conglobatum Vitt., Beobachtungen morchelloider Formen vor.“
Bleibt nur noch nachzutragen: In freier Natur wurden morchelloide Missbildungen überwiegend nur an Einzelfruchtkörpern innerhalb einer Gruppe normal gewachsener Fruchtkörper beobachtet.
------------------------------------------------------------
Und jetzt noch ein paar Beispiele, die im Grusel-Forum" mit Genehmigung der Bildautoren (User = hier Mitglied in diesem Forum) vorgestellt und diskutiert wurden:
Bild 1: Violetter Lacktrichterling (Laccaria amethystina); Foto "Tommy Pruß (PilzePilze-Forum)"
Bild 2: Rötlicher Lacktrichterling (Laccaria laccata ss. lat.); Foto Bild "hopsing17, User"
Bild 3.: Austern-Seitling (Pleurotus ostreatus); Foto von "HOBIS Holger und Sabine"
Bild 4.: Rettich-Helmling (Mycena pura); Foto "Marco, User" Bild 5.: Trompeten-Schnitzling (Tubaria hiemalis SS. lat.); Foto "Holger, User"
Bild 6.: Schild-Rötling (Entoloma clypeatum (L. Kumm.)); Foto "chris77, User"
-------------------------------------------------------
Zum Abschluss noch eine Aufnahme, die nach [6] nicht als "morchelloide Form" bezeichnet werden kann, obwohl sie massive Wucherungen auf dem Hut zeigt. Warum: Man kann deutlich kleine, stiellose "schüsselförmige" Hütchen mit Leisten erkennen, die man als "inverse Prolifkation" bezeichnen muss.
Blasser Pfifferling (Cantharellus pallens); Foto "AK-CCM, User"
Grüße Gerd
Literatur:
[1] (ID-05008): Michael - Hennig - Kreisel (1983): Handbuch für Pilzfreunde, Band V, S26:62
[2] (ID-00144): Krieglsteiner G. J. (1996): Bildungsabweichungen oder eigenständige Taxa ?, Beihefte zur Kenntnis der Pilze Mitteleuropas X
[3] (ID-04837): Staudt E. (2000): Voll daneben; Südwestdeutsche Pilzrundschau 36(2): 42-43
[4] (ID-06369]: Geiter R. (1997): Ungewöhnliche Bildungsabweichungen an Pilzen; Tintling 4:20-21
[5] (2001): H. Dörfelt/G. Jeschke (2001): Wörterbuch der Mycologfie; 2. Auflage; Spektrum
[6] Ulbrich, E (1926): Morchelloide und tremelloide Formen von Agaricaceen; Notizbl. des Königl. Bot. Gartens und , BD.9: 998 - 1026
ich zeige heute zwei Pilzanomalien von Dr. IRMGARD KRISAI-GREILHUBER („funga-austria.at“-Forum ---> https://funga-austria.at/viewtopic.php? ... p=736#p725 ), die mir erlaubt hat diese Aufnahmen hier zu zeigen.
Bild 1.: Hydnum repandum.
Bild 2.: Hebeloma spec.
----------------------------------------------------------------------
Man kann erkennen, dass es sich in beiden Fällen um eine „morchelloide Prolifikation“ (*) handelt. Ein rel. seltener Missbildungstyp, den wir hier schon mehrfach gezeigt haben.
(*) [5] nennt diese Bildungsabweichung übrigens „Proliferation“, weist aber darauf hin, dass in der Mykologie meist der Begriff „Prolifikation“ bevorzugt wird. Der Begriff „Prolifikation“ stammt von ---> prolifer (lat.), prolifère (frz.) = „wuchern“ ab.
------------------------------------------
[1] bezeichnet den hier gezeigten Extremfall einer Prolifikation als "morchelloide Bildung/Form)", bei der die gesamte Hutoberfläche von mannigfach deformierten Hymenophoren überzogen wird: unregelmäßig verlaufende, unterbrochene oder gefaltete, oft wabenartig vernetzte Lamellen; der Hut ist so weit nach unten gebogen, dass er eine Kugelform annimmt und sein Rand den Stiel berührt.
[6] stellt fest: „ Bei den morchelloiden Formen kleidet das abnorme Hymenium mannigfach gewundene Gänge, Alveolen, Leisten oder Gruben aus, die den ganzen Hut bedecken oder, wenn sie auf einzelne Partien der Hutoberfläche beschränkt bleiben, nicht durch besondere dem Hutfleisch gleiche Gewebepartien begrenzt und umgrenzt sind, niemals in becher- oder schüsselförmigen ungestielten oder gestielten Bildungen auftreten.“ Unterschieden werden 3 Grundtypen:
Typus 1:
- Die gesamte Hutoberfläche ist mit morchelloiden Bildungen bedeckt. Der Hut wird nach unten gebogen, nimmt eine kugelförmige Gestalt an und sein Rand berührt den Stiel.
Typus 2:
- Die Hutoberfläche mit Ausnahme des Hutrands ist mit morchelloiden Bildungen bedeckt. Der Hut wird glockenförmig verbogen.
Typus 3:
- Die morchelloide Hymeniumbildung beschränkt sich nur auf kleinere Partien der Hutoberfläche. Eine kugel-/glockenförmige Verformung des Huts findet nicht statt.
„Winterlibelle“ aus dem Naturforum hat und Bilder (---> viewtopic.php?f=34&t=6918&p=29648&hilit ... lle#p29581 ) einer fortschreitenden morchelloiden Entwicklung von „Laccaria amethystina zur Verfügung gestellt. Besonders spannend finde ich, dass die Entwicklung hier am Hutrand startet und nicht wie üblich am Hutscheitel. Das erklärt auch, warum der Hut rel. früh eine kuglige Form annimmt.
25.10.2015
31.10.2015
04.11.2015
Diese Bilder zeigen nach meiner Beurteiungg, dass es sich bei den genannten Grundtypen nur um unterschiedliche Altersstufen einer morchelloiden Entwicklung
handelt.
-------------------------------------
[/b]Über die Ursache einer „morchelloiden“ Hymenophor-Wucherung herrscht Unklarheit:[/b]
[1] diskutiert folgende Ursachen:
(1) Gendefekt (Mutation) durch „Virenbefall(!?)
- Dieser Ursache liegt nahe, da im Labor bei bestimmten Myzelien oder Kulturstämmen jahrelang eine „Prolifikation“ beobachtet wurde.
(2) Witterungseinflüsse
- Z.B. plötzlich einsetzende Regenfälle im Spätherbst, die eine randliche Wiederbelebung des Wachstums bereits vorhandener Fruchtkörper auslösen.
---> Dazu habe ich etwas in meiner Literatur gefunden:
[3] zeigt eine "morchelloide Prolifikation" eines Fruchtkörpers, der sich nach mikroskopischer Bestimmung als Violetter Lacktrichterlings (Laccaria amethistina) entpuppte. Er berichtet über seinen Versuch, diesen Fruchtkörper über Nacht für A. Bollmann zu retten und legte den Fruchtkörper "auf feuchtes Papier in einer Plastikdose in den Kühlschrank".
---> Doch oh Wunder: Der Fruchtkörper hatte sich über Nacht zu einem "+-normalen Lacktrichterling" umentwickelt. Dies würde die These stützen, dass auch Umwelteinflüsse eine derartige Missbildung verursachen können.
(3) Lichtmangel
Ich zitiere [6]: „Bemerkenswert ist nun aber, dass auch Formen, die von den vorstehend beschriebenen morchelloiden Formen nicht zu unterscheiden sind bei einer Agaricacee unter ähnlichen Wachstumsbedingungen beobachtet wurden.Bisher liegen nur über eine Art, Tricholoma conglobatum Vitt., Beobachtungen morchelloider Formen vor.“
Bleibt nur noch nachzutragen: In freier Natur wurden morchelloide Missbildungen überwiegend nur an Einzelfruchtkörpern innerhalb einer Gruppe normal gewachsener Fruchtkörper beobachtet.
------------------------------------------------------------
Und jetzt noch ein paar Beispiele, die im Grusel-Forum" mit Genehmigung der Bildautoren (User = hier Mitglied in diesem Forum) vorgestellt und diskutiert wurden:
Bild 1: Violetter Lacktrichterling (Laccaria amethystina); Foto "Tommy Pruß (PilzePilze-Forum)"
Bild 2: Rötlicher Lacktrichterling (Laccaria laccata ss. lat.); Foto Bild "hopsing17, User"
Bild 3.: Austern-Seitling (Pleurotus ostreatus); Foto von "HOBIS Holger und Sabine"
Bild 4.: Rettich-Helmling (Mycena pura); Foto "Marco, User" Bild 5.: Trompeten-Schnitzling (Tubaria hiemalis SS. lat.); Foto "Holger, User"
Bild 6.: Schild-Rötling (Entoloma clypeatum (L. Kumm.)); Foto "chris77, User"
-------------------------------------------------------
Zum Abschluss noch eine Aufnahme, die nach [6] nicht als "morchelloide Form" bezeichnet werden kann, obwohl sie massive Wucherungen auf dem Hut zeigt. Warum: Man kann deutlich kleine, stiellose "schüsselförmige" Hütchen mit Leisten erkennen, die man als "inverse Prolifkation" bezeichnen muss.
Blasser Pfifferling (Cantharellus pallens); Foto "AK-CCM, User"
Grüße Gerd
Literatur:
[1] (ID-05008): Michael - Hennig - Kreisel (1983): Handbuch für Pilzfreunde, Band V, S26:62
[2] (ID-00144): Krieglsteiner G. J. (1996): Bildungsabweichungen oder eigenständige Taxa ?, Beihefte zur Kenntnis der Pilze Mitteleuropas X
[3] (ID-04837): Staudt E. (2000): Voll daneben; Südwestdeutsche Pilzrundschau 36(2): 42-43
[4] (ID-06369]: Geiter R. (1997): Ungewöhnliche Bildungsabweichungen an Pilzen; Tintling 4:20-21
[5] (2001): H. Dörfelt/G. Jeschke (2001): Wörterbuch der Mycologfie; 2. Auflage; Spektrum
[6] Ulbrich, E (1926): Morchelloide und tremelloide Formen von Agaricaceen; Notizbl. des Königl. Bot. Gartens und , BD.9: 998 - 1026