sind gallenbildende Insekten und Milben wirklich Phytoparasi

Spezialforum zum Thema phytoparasitische Kleinpilze ( Rost, Brand, Mehltaupilze etc. ) und tierische Gallen an Wild.- und Nutzpflanzen. Forumsstart - 15.07.2006
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Harry
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sind gallenbildende Insekten und Milben wirklich Phytoparasi

Ungelesener Beitrag von Harry »

Hallo zusammen,

in letzter Zeit befasse ich mich intensiver mit gallenbildenden Insekten und Spinnentieren ( Milben ). Je mehr ich darüber lese desto weniger gefällt mir hier ihre Zuordnung zu den Phytoparasiten. Parasitismus besagt ja, dass der Wirt in irgend einer Weise geschädigt wird. Dies ist bei Gallwespen, Gallmilben etc. mit ihrer endophagen Ernährungsweise nicht zu sehen.

Eine sehr ähnliche Aussage wurde auch von Prof. Sedlag formuliert, der sich lange Zeit mit der Interaktion von Pflanzengallbildnern und ihren Wirtspflanzen beschäftigt hat. Nach dem Studium der Verhältnisse an der Zerreiche (Quercus cerris) kommt er zu dem Schluss, dass die Auswirkungen auf den Wirtsorganismus selbst bei stärkerem Befall marginal seien und dass ein Einfluss von selektiver Bedeutung der in großer Artenvielfalt an Eichen auftretenden Gallwespen nur schwer, wenn überhaupt, vorstellbar sei. Zum einen sei der Biomasseverlust der Eichen äußerst gering, zum anderen seien Auswirkungen auf Samenbildung, Keimung, Überleben von Jungpflanzen usw. nicht erkennbar. Es bleibt auch die Frage, ob oder wer hier wen kontrolliert, wobei Prof. Sedlag deutlich herausstellte, dass Gallen Schutzeinrichtungen der Pflanze sind. Schließlich wurde auf den Modellcharakter des Systems Gallerzeuger-Galle für die Erforschung formbildender Prozesse sowie auf große Forschungsdefizite in diesem Bereich hingewiesen.

Ich denke wir zählen hier die Gallenbildner zu Unrecht zu den parasitoiden Insekten. Was meint ihr?

Gruß
Harry
Heinz †
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Re: sind gallenbildende Insekten und Milben wirklich Phytoparasi

Ungelesener Beitrag von Heinz † »

Hallo Harry,

nachdem offenbar keiner deine ?parasitische? Anfrage beantworten möchte, solltest du nicht ?im Regen stehen? bleiben (den wir hier dringend gebrauchen könnte). Hier also einige Gedanken zum Thema Parasitismus und Phytoparasiten.
Wenn man einmal ganz pragmatische vorgeht, kommt man bei ?Parasiten? z.B. nach Brockhaus zu folgender Definition: ?Bakterien, Pflanzen- oder Tierarten, die ihre Nahrung anderen Lebewesen entnehmen und sich vorrübergehend oder dauernd an oder in deren Körper aufhalten? - Was einen zurückhalten könnte, die Gallenbildner zu den Parasiten zu zählen, ist die Beobachtung, dass eigentlich keine Schädigung der Wirtspflanze erkennbar ist: es sterben vor allem keine Zellen ab, vielmehr regt der Gallbildner die Wirtspflanze dazu an, besondere Zellen und Zellgewebe zu produzieren, die allerdings nur dem Galltier nützen. Man sollte hier nicht übersehen, dass der Nutznießer dem Wirt tatsächlich Stoffe entzieht, die er für sein eigenes Wachstum benötigt. Er tut dies (zugegebener Weise) auf sehr schonende Art, und irgendwelche Verluste in der Biomasse sind so gering, dass man sie praktisch nicht messen kann. Trotzdem ist es ein Stoffentzug, den wir dann ?Parasitismus? nennen müssen.
Und wie steht es mit einer Symbiose? Wo könnte man einen Nutzen für die Wirtspflanze sehen? Wo sollte man z.B. ein Schutzeffekt für den Wirt erkennen können? Es besteht neuerdings eher die Vorstellung, dass die Pflanze durch geduldete ?Einlagerung? von Endophyten die Ausbildung zu vieler Gallen verhindert möchte (und zwar durch Abtötung von Gallbildungen durch explodierende Endophyten). - Symbiose ist übrigen nichts anderes als ein verkappter Parasitismus, wenn wir z.B. an die Mykorrhiza denken. Hier versucht jeder Partner soviel vom anderen zu bekommen wie möglich. Und wenn das harmonische System einmal kippt, kommt es zum einseitigen Parasitismus (ist von MELIN, dem großen schwedischen Mykorrhizaforscher). ? Also erfreuen wir uns unbeschadet dessen an der Vielzahl und Schönheit der Gallen, die uns die Natur noch zu bieten hat.

Gruß aus Wolfenbüttel, Heinz
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