Wissenswertes von der Gemeinen Wegwarte

das Forum für den Pflanzenfreund ( Wildgemüse, Wildblumen, Heilpflanzen, Bäume etc. ) Forumsstart: 28.03.05

Moderatoren: Harry, Volker

Benutzeravatar
Harry
Administrator
Beiträge: 4693
Registriert: Mi 22. Dez 2004, 09:37
Kamera: Nikon D500
Nikon Z5
Olympus Tough TG-6
Pilzverein: Pilzfreunde Saar - Pfalz e.V.
Wohnort: Bexbach - Saarland
Kontaktdaten:

Wissenswertes von der Gemeinen Wegwarte

Ungelesener Beitrag von Harry »

Hallo Pflanzenfreunde,

Cichorium intybus ist ein bis zu 120 cm hohe, blau blühende Pflanze aus der Familie der Korbblütengewächse ( Asteraceae ). Die Blüten öffnen sich morgens nur für wenige Stunden und schließen um die Mittagszeit. Am nächsten Morgen öffnen sich wieder andere Blüten.

Man findet sie am Rande von Weiden, auf Brachland, in Steinbrüchen und am Wegesrand. Andere Namen für die Pflanze sind auch Wegweiß, Heist, Sonnenwendel, Sonnenwirbel, faule Gretel oder Vakanzblume. Im französischen wird sie Chicorée genannt und die Amerikaner bezeichnen sie als blaue Matrosen ( Blue Sailors ).


Cichorium intybus - Wegwarte

Bild

Bild

Bild


Historisches

Die Heilkraft der Wegwarte und ihre Verwendung als Gemüsepflanze war schon den alten Griechen bekannt. Aristophanes ( 385 - 450 v. Ch. ) und Theophrast ( 286 - 371 v. Ch. ) empfahlen die Zubereitung der Wurzeln und der Blätter als Gemüse und Salat. Karl der Große forderte um das Jahr 800 n. Ch. das auf den Krongütern seines Reiches Wegwarte angebaut wird , damit er seinen Besuchern gesundes Gemüse und ein hervorragendes Heilkraut präsentieren konnte.

Die blaue Farbe der Blüten hat die Fantasie unserer Vorfahren geradezu beflügelt. Legte ein junges Mädchen des Nachts die Blüten unter ihr Kopfkissen, so erschien ihr im Traum der Mann den sie heiraten würde. Hartnäckig hielt sich in manchen Gegenden ein anderer Glaube. Wer es schaffte eine Wegwartblüte zu pflücken die von einem schaurigen und blutrünstigem Hund bewacht wurde blieb für immer von viellerlei Übel und Krankheit verschont. Geradezu verrückt klingt dieser Glaube: Wenn jemand eine Person die er liebt, mit einer am Karfreitag mittels einer Silbermünze ausgegrabenen Wegwartwurzel berührt, wird sie in glühender Liebe zu ihm entbrennen.

" Wegwarte, vom Staub bist du so grau, " heißt es in einem alten Liebeslied das an die Legende der treuen Braut erinnert:

Einst zog ein Bräutigam in den heiligen Krieg und versprach seiner blauäugigen Geliebten zurückzukommen. Sie stand am Wegesrand und wartete in der Hoffnung ihr Geliebter würde wohlbehalten zu ihr zurückfinden. Die Jahre vergingen, sie wurde alt und wartete immer noch am Wegesrand. Da hatte Gott ein Einsehen mit ihr und verwandelte die altgewordene Jungfer in eine Wegwarte. Und so wartet sie noch heute am Wegesrand auf die Rückkehr ihres Geliebten.

Faule Gretel spielt auf eine faule Magd an, die schon Mittags ihre Hände in den Schoß legte und nicht mehr arbeitete. Als Zeichen für diese Faulheit schließt die Wegwarte schon zur Mittagszeit ihre Blüten. In manchen gegenden Bayerns wird sie deshalb auch heute noch als Faule Gretel bezeichnet.

Inhaltsstoffe

in den Blättern finden sich Vitamin C, Calzium, Eisen, Kalium und Thiamin. Der Wurzelstock enthält Vitamin C, Calcium, Fruchtzucker, Traubenzucker, Inulin, Magnesium, Kalium, Beta Carotine, Bitterstoffe, Intybin, salpeter -, schwefel -, und salzsaures kali, Cichoriin, Gerbsäure, ätherisches Öl, Petein, Lacoulin und Mannan . Die Blüten erhalten ihre schöne himmelblaue Farbe durch den Farbstoff Anthocyan. Dieser Farbstoff kann auch in einer farblosen Form in den Blüten vorhanden sein. Weiße Blüten sind die Folge. Dieses Phänomen ist aber eher selten zu beobachten.

Heilpflanze Wegwarte

An der Wirkung ist sowohl die Bitterstoffe wie auch der Inulin und Kaligehalt beteiligt. Im Magen - Darmtrakt bewirkt sie eine Appetit und Sekretionsanregung. Ferner wirkt sie verdauungsfördernd.

Die Leber und Gallentätigkeit wird angeregt. Pfortaderstauungen, Stauungen in der Milz und im Bereich der Hämorrhoidalvenen werden günstig beeinflußt. Die Niere wird zur vermehrter Harnabsonderung angeregt. Als Gewebs.- und Blutreinigungs.- und als stoffwechelanregendes Mittel ist sie ebenfalls verwendbar.

In der Blütentherapie von Dr. Ewald Bach wird Wegwarte für Menschen empfohlen die zu Egozentrik, Kontrollsucht und Selbstmitleid neigen und mit den daraus resultierenden Problemen nicht fertig werden.

Wegwarte in der Küche

Blätter, Wurzeln und Blüten werden zu Salaten, Gemüse, Tee, Kaffee oder Likören verwendet.

Wenn man sich mal den wissenschaftlichen Namen Cichorium betrachtet könnte einem in den Sinn kommen, dass die Wegwarte etwas mit dem aus den Regalen der Supermärkte bekannten Chicoréesalat zu tun hat. Der Eindruck täuscht nicht - Chicorée ist eine züchterich nur leicht veränderte Wegwarte und nennt sich wissenschaftlich Cichorium intybus var. foliosum. Das was wir als Chicorée essen ist einfach nur der extrem zusammengestauchte Pflanzensproß der Wegwarte. Der Salat war zunächst nur aus der Gegend um Brüssel bekannt aber mittelweile hat dieser beliebte Wintersalat die Geschmacksnerven vieler Feinschmecker auf der ganzen Welt erobert. Und nicht nur Chicorée sondern auch Endivien und Radicchiosalat ist nichst anderes als leicht züchterisch veränderte Varietäten unserer bekannte Wegwarte. Schon erstaunlich. Oder?

Doch zurück zu unserer hier vorgestellten Wildpflanze. Im zeitigen Frühjahr wird die Blattrosette geerntet und als Salat verzehrt. Im Herbst wird die Wurzel zu Zichorienkaffee verarbeitet. Sie ergeben auch ein Gemüse das wie Schwarzwurzeln zubereitet wird.

die Entdeckung des Zichorienkaffees

die Entdeckung dieses " europäischen Kaffees " geht auf eine Gegebenheit vor gut 200 Jahren zurück. Die Frau eines Majors Heine erkrankte an Gallenfieber. Sie wurde wieder gesund mit Hilfe des Tee´s aus getrockneten Wegwartenwurzeln. Der Tee schmeckte ihr aber überhaupt nicht und so kam sie auf die Idee die Wurzeln vorher zu rösten, so wie bei Kaffee, der sich zu dieser Zeit schon großer Beliebtheit erfreute.

Das Rezept war ein Riesenerfolg und ihr Mann vermarktete es als einheimischen Kaffee. Zusammen mit einem Partner baute er die Wegwarte im Braunschweiger und Magdeburger Land an und stellte in einer Braunschweiger Fabrik Zichorienkaffee her. Die Kaffeepakete zierte damals die Aufschrift:

" ohne Euch gesund und reich "

was als klare Kampfansage an den eingeführten Bohnenkaffee zu verstehen war.

Zichorienkaffee

Zutaten

eine beliebige Anzahl an Wegwartwurzeln

Herstellung

die kräftigen Wurzeln werden gereinigt, geschält und in kleine Stücke geschnitten. Die Stückchen auf ein Backblech ausbreiten und bei 200 Grad im Backofen bei leicht geöffneter Tür solange geröstet bis sie ein schöne braune Farbe angenommen haben. Die gerösteten Stückchen werden in gut schließenden Schraubgläsern aufbewahrt.

Vor Gebrauch werden Stückchen in der Kaffeemühle gemahlen, in eine Tasse gefühlt und mit kochndem Wasser überbrüht. Nach ca. 5 Minuten abseihen und nach belieben mit Milch und Zucker oder schwarz trinken. Auf eine Tasse benötigt man ca. 1 Esslöffel Pulver. Der Kaffee wirkt nach einem fetten Essen verdauungsfördend und stoffwechselanregend.

Die selbe Wirkung erzielt man mit einem

Wegwarten - Magenbitter

Zutaten

70 gr. Wegwartenwurzeln
50 gr. weißer Kandis
1 Flasche Korn ( 32 % )

Herstellung

Wurzel reinigen und mit einem Messer die dunklen Stellen abkratzen aber nicht zerschneiden. Die ganzen Wurzeln mit den übrigen Zutaten in eine Flasche füllen und mindestens 6 Wochen bei Zimmertemaratur ziehen lassen. Die Wurzeln sollten vom Korn ganz bedeckt sein da ansonsten die herausragenden Stücke leicht schimmeln.

Nach der angegeben Zeit die Wurzeln entfernen und das ganze durch Kaffee oder Teefilter abseihen und in eine saubere Flasche füllen.

Sammeln und Aufbewahren

zu Heilzwecken wird die Wurzel ( Radix cichorii ) der Pflanze gesammelt. Sie werden ausgegraben, gründlich gereinigt, gewaschen, in Scheiben geschnitten und bei 50 Grad im Backofen schnell getrocknet. Natürlich kann auch ein eventuell vorhandenes Dörrgerät verwendet werden. Das ganze in gut schließenden Schraubgläsern aufbewahren. Die Droge duftet würzig und schmeckt bitter.

Teezubereitung

Bei auftretenden Beschwerden wird ein Absud aus 2 Teelöffeln der Droge je Tasse hergestellt und 2 mal täglich getrunken.

Unter Absuden versteht man wäßrige Auszüge, die durch Extraktion mit Wasser aus Drogen zubereitet werden. Bei Wurzeldrogen werden die Wurzeln hierbei heißem Wasser zugegeben und anschließend zum Kochen gebracht. Das ganze sollte ca. 20 Minuten weiter köcheln.

Nebenwirkungen

Personen die eine Allergie gegen Korbblütler entwickelt haben sollten auf die Anwendung und die Verarbeitung von Wegwarte verzichten. Ansonsten sind keine Nebenwirkungen bekannt.

Verwechslungen

junge Rosettenblätter können eventuell mit dem sehr nahe verwandten Löwenzahn verwechselt werden. Die blühende Wegwarte ist so markant das sie mit keiner anderen Pflanze verwechselt wird.

Tipp´s für den Natur und Gemüsegarten

Die Wegwarte bereichert das Staudenbeet und bevorzugt steinige und trockene und sonnige Hanglagen. Sie benötigt für ihre Blattrosetten etwas Platz. Die blühenden Planzen sind eine Augenweide und bereichen jeden Naturgarten.

Möchte man Wurzeln und Blätter als Wildgemüse oder Heilpflanze anbauen dann wird sie im Gemüsebeet wie die Schwarzwurzel in Reihen angepflanzt. Man braucht sich nicht die Mühe zu machen wildwachsende Pflanzen auszugraben, nein es ist denkbar einfacher Wegwarte im Garten anzusiedeln. Im Frühjahr sät man Radicchio oder Chicorée Pflanzen und läßt sie übers Jahr wachsen. Im zweiten Jahr schlagen die ursprünglichen Eigenschaften der Pflanzen durch und sie wachsen zu kräftigen und mehrjährigen Wegwarten aus.

Experimentelles

Legt doch mal ein Blüte der Wegwarte in einen Ameisenhaufen. Die Ameisen überlaufen, ohne gestört zu werden, die Blüte und geben dabei Ameisensäure ab. Auf den blauen Blüten erscheinen immer mehr rote Punkte die ineinander überfließen. Wie das? Durch die Säure schlägt der blaue Farbstoff in roten um. Man kann das auch mit einfachem Essig aus der heimischen Küche beobachten.

Das wars mal wieder für heute !!

Gruß
Harry
Dass man immer noch lernen kann ist herrlich, und auch dass man andere dazu braucht.
Rita

Re: Wissenswertes von der Gemeinen Wegwarte

Ungelesener Beitrag von Rita »

Hallo Harry,

ein sehr ausführlicher und informativer Beitrag! Vieles davon habe ich bisher noch nicht gewußt, obwohl ich diese Pflanze aus der Natur sehr gut kenne.
Deine Fotos sind auch allererste Sahne. Was für ein tolles intensives Blau!

LG
Rita
Benutzeravatar
Volker
Administrator
Beiträge: 1034
Registriert: Mi 22. Dez 2004, 10:13
Kamera: Nikon Coolpix 990, Nikon D700
Pilzverein: Pilzfreunde Saar-Pfalz e.V.
Wohnort: Bexbach
Kontaktdaten:

Re: Wissenswertes von der Gemeinen Wegwarte

Ungelesener Beitrag von Volker »

Hi Harry

also ich muß auch sagen - sehr interessante Vorstellung dieser bekannten Pflanze mit tollen Bildern und unbeschreiblicher Farbsättigung - sehr gut.

Ciao Volker
strudel 22
Junior Poster
Beiträge: 30
Registriert: Di 8. Dez 2009, 14:00
Kamera: RolleiRCP-8325X

Re: Wissenswertes von der Gemeinen Wegwarte

Ungelesener Beitrag von strudel 22 »

Hallo Harry,

Wunderschöne Fotos.
Diese Pflanze ist mir oft beim Hundspaziergang aufgefallen.
Erst hab ich sie so im Vorbeigehen als Unkraut betrachtet, sie wächst ja hier überall.
Dann hab ich mir mal einen Stengel mitgenommen für die Vase
Ich finde die Blüten ausgesprochen schön, nur schade, die Blüten verwelken nach ein paar Stunden.

Hast Du das mit dem Tee schon mal ausprobiert? Wie schmeckt der denn?
Deine Informationen über die Pflanze waren recht neu für mich und sehr interessant.

Viele Grüße Barbara
Wenn Du ankommen willst, mußt Du losgehen.
Thomas B.

Re: Wissenswertes von der Gemeinen Wegwarte

Ungelesener Beitrag von Thomas B. »

Hallo Harry
Danke für die Super-ausführliche Vorstellung der Wegwarte!

Ich werde mir diesen Beitrag archivieren.
So stelle ich mir Pflanzenvorstellungen in einem Buch vor...

Gruß Thomas
Benutzeravatar
Dedimyk
Forums Gott
Beiträge: 2941
Registriert: Sa 26. Nov 2005, 13:47
Wohnort: Gifhorn - Südostniedersachsen

Re: Wissenswertes von der Gemeinen Wegwarte

Ungelesener Beitrag von Dedimyk »

Hallo Harry,

Pflanzen sind ja bekannterweise nicht so mein Ding, aber dieser hervorragende Beitrag hat mich echt begeistert. :tup:

Einiges davon wußte ich bereits, aber das meiste war neu für mich.

Es macht echt Spaß zu sehen, wie Du Dich in die Materie hineinkniest und in Bild und Text diese optisch ansprechende Pflanze hier unverwechselbar vorstellst.

Ich selber habe bisher immer an Weg,- oder Feldrändern auf die Wegwarte geachtet, da sie ein interessanter Wirt für diverse seltene Phytoparasiten wie "Falsche" und Echte Mehltaupilze, Brand,- und Rostpilze ist, bisher leider ohne jeden Erfolg.

Vielleicht wird der eine oder andere, der diesen Beitrag gelesen hat, zukünftig beim Betrachten der Wegwarte auf irgendeinen phytoparasitischen Befall achten und hier dann vortsellen.

Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag und herzliche Grüße

Detlef
Detlef, der Freund der Phytoparasiten
Antworten