Mykorrhiza-Notizen

hier kann alles gepostet werden was mit Pilzen zu tun hat. Forumsstart - 22.12.2004

Moderator: Harry

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Gerd †
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Kurt,
kurtjegle hat geschrieben: Ich hatte weiter oben geschrieben, dass Laubbäume eine relativ grössere Photosyntheseleistung erbringen als Nadelbäume. Das ist wohl falsch.
- Na ja, ich habe deinen Kommentar nicht als Feststellung/Behauptung sondern als Frage zu einer meiner Folien verstanden. Nachfolgend dein Originalzitat:
kurtjegle hat geschrieben: Habe ich das richtig verstanden?
Die nadeltragend Douglasie hat eine geringere relative Photosyntheseleistung als die blatttragende Birke.
-------------------------
kurtjegle hat geschrieben: Nach meinen gestrigen Recherchen im Internet ist es eher umgekehrt. Nadelbäume haben eine doppelt so grosse "Blattoberfläche" als Laubbäume, mithin eine doppelt so hohe Sauerstoffproduktion. Genaue Angaben über die gesamte Photosyntheseleistung habe ich noch nicht gefunden.
- Tja, deine Begründung kann ich nachvollziehen, sofern gleiche Randbedingungen zutreffen. Ich stelle mir hier folgende Fragen:

(1) Sind alle Nadeln gleichgut "lichtexponiert" wie die Blätter?

(2) Ist die Dichte der Einlagerung des "Chlorophylls" bei Nadeln und Blättern +-identisch/vergleichbar?

(3) Ist der Wirkungsgrad (Nadeln und Blätter haben m.W. eine anderen Aufbau der Oberfläche) der Photosynthese identisch/vergleichbar?

(4) Die spektralen Anteile des Lichtes ändern sich m.W. im Laufe des Tages, der Jahreszeiten, der Höhenlage, der Bewölkung und der Klimazonen. Gibt es Unterschiede bezüglich der "optimalen" Spektralanteile zwischen Nadel- und Laubbäumen?

(5) Werden hier "solitär" oder im "Wald" stehende Bäume betrachtet?

---> Alles Fragen, die mir spontan einfallen und ich als "Laie" leider nicht beantworten kann.

---> Aber grundsätzlich (herzlichen Dank :su: ) überrascht mich dein Hinweis und deine Schlussfolgerung nicht, wenn ich z.B. die jährliche "Holzproduktion" von "Fichte" und "Buche" unter gleichen Bedingungen miteinander vergleiche.

Grüße
Gerd
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
kurtjegle
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von kurtjegle »

Hallo Gerd

- Ich gehe mit deinen Anmerkungen voll einig
- Der erwähnteFeldversuch bringt fast nichts, da die näheren Umstände bezüglich der beiden Bäume nicht in Betracht gezogen wurden.
- Schon die Abschirmung eines Baumes gegen Sonnenlicht hätte wichtige Informationen geliefert (Vielleicht Aenderung der transferierten Kohlenstoffmenge, Umkehr der Flussrichtung etc.).
So wissen eigentlich nur, dass die Mykorrhiza 2 Bäume irgendwie über Kohlenstofftransfer vernetzt, aber das wussten wir schon vorher.
Ist denn literarisch nichts Weiterführendes auf dem Markt?

Nebenbei bemerkt: Sind wir die beiden einzigen, die versuchen, in die beiden Teller zu schauen?

Gruss
Kurt
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Gerd †
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Nachtrag:

Kann noch einen kleinen Datenauszug zu einer gesunden, etwa 100-jährigen Buche nachliefern [1]:

- Höhe ca. 20m, Kronendurchmesser ca 12m
- Blätter: ca. 600.000, entspricht 1.200m^2 Blattfläche

Und noch ein paar auf einen Sonnentag bezogene Daten:

- Photosynthese-Verbrauch: ca. 18kg CO2; entspricht CO2-Abfall von 2,5 Einfamilienhäusern

- Sauerstoff-Produktion:: ca. 13kg; decken den Bedarf von 10 Menschen

- Wasser-Verdunstung: ca. 400 Liter

- Photosynthese-Leistung: ca. 12kg Zucker

Literatur:
[1] G. Bruns, zitiert in G.J. Krieglsteiner ((1996): Einführung in die ökologische Erfassung der Großpilze Mitteleuropas; Beiheft zur ZfM Band 8
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
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Gerd †
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Kurt,
kurtjegle hat geschrieben: - Der erwähnteFeldversuch bringt fast nichts, da die näheren Umstände bezüglich der beiden Bäume nicht in Betracht gezogen wurden.
- Schon die Abschirmung eines Baumes gegen Sonnenlicht hätte wichtige Informationen geliefert (Vielleicht Aenderung der transferierten Kohlenstoffmenge, Umkehr der Flussrichtung etc.).
So wissen eigentlich nur, dass die Mykorrhiza 2 Bäume irgendwie über Kohlenstofftransfer vernetzt, aber das wussten wir schon vorher.
- Ich bewerte das etwas anders als du:

(1) Dieser "Feldversuch" zeigt, dass auch "im Freiland" unter weniger gut "als in einem Laborversuch kontrollierbaren Bedingungen" ein Stofftransfer stattfindet.
---> Ein etwas anderes Beispiel (Labor vs. Freiland) fällt mir dazu ein:
(a) Im "Labor" kann Trametes versicolor (Schmetterlings-Tramete) bei "optimalen" Lebensbedingungen (z.B. Wasser, Temperatur) das Substrat in wenigen Monaten zersetzen. Und wie lange dauert die zersetzung im Freiland?

(2) Und schau einmal, was ich bezüglich der im "Schatten stehenden Douglasie" in meinem Foliensatz angegeben habe.
---> Bei im Schatten standenden Douglasien lag der Nettotransfer deutlich höher
als bei Exemplaren, die im Licht standen
---> Oder allgemeiner: Schwächere oder "jüngere" Bäume werden von Bäumen mit höherer Assimilationsleistung unterstützt.

(3) Besonders interessant und überraschend (bin überfragt, ob dies im Labor auch nachgewiesen wurde) ist, dass es auch einen Stofftransfer zwischen "nicht verwandten" Bäumen gibt.
--------------------------
kurtjegle hat geschrieben: Nebenbei bemerkt: Sind wir die beiden einzigen, die versuchen, in die beiden Teller zu schauen?
Beachte und bewerte bitte Folgendes:

- 150 Aufrufe; Stand 06.Okt.2009 21:54
- Meine "Mykorrhiza-Notizen" wurden aktuell 30-mal heruntergeladen
- Die pos. Resonanz (Hegaupilz, Harry, Waldfreund, (*)) auf diese Serie. Die hat mich besonders gefreut, da in diesem Forum "Lob" (völlig zu Recht; denn sonst wird es zu einem stumpfen Waffe) "ggg" auch vom "Betreiber dieses Forums" nur spärlich verteilt wird.

---> OK, jetzt vergleiche meine Angaben mit anderen Beiträgen und berücksichtige, dass erfahrungsgemäß die Aufrufe mit der Anzahl der Antworten ansteigt. Ich kann bei dieser Beitragsserie (beachte bitte auch die Mitgliederzahl und deren persönliche Interessen):

(1) Ein hohes Interesse erkennen.
(2) Ich wundere mich nicht, dass dies derzeit noch ein Dialog zwischen dir und mir ist.
---> Ist halt so und ich vehalte mich da auch nicht anders: Solange ich mit einer Diskussion einverstanden bin und keine weiteren Details/Bedenken/Alternativen ... liefern kann halte ich mich zurück und lese einfach nur mit.

Grüße
Gerd

PS.:
- Sende mir einfach deine Email-Adresse. Und ich stelle dir einmal eine Liste von "literarisch weiterführender Literatur" zusammen.

Nachtrag: 07.10.2009; 02:33Uhr, in blauer Schrift:

(*) Und nicht zu vergessen Holger, der mich auf die Idee gebracht hat, zum Thema "Mykorrhiza" etwas zusammen zu stellen.
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
kurtjegle
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von kurtjegle »

Was jetzt kommt, ist ziemlich unausgegoren und spontan, aber ich hoffe, dass ihr versteht, was ich sagen will. Es geht mir letztendlich nicht um theoretisches Wissen um der Wissenschaft willen sondern um besseres Verstehen, was auf meinem Land passiert, und eventuelle Anwendung in der Praxis.
Ich habe vor 14 Jahren hier in Frankreich mit meiner Frau eine Farmhausruine mit 3,7 ha Umschwung gekauft, ein Wäldchen, Wiesen, eine Lichtung. Das Wäldchen habe ich nach anfänglichem leichtem Auslichten sich selbst überlassen "Urwald mit bereits ziemlich Totholz". Eine Wiese bepflanzt mit im Wald ausgegrabenen Eichen, Hainbuchen etc. Auf der Lichtung und einer weiteren Wiese spriessen von selbst ausgesäte Bäumchen.
Es gibt hier eine Anzahl verschiedener Mykorrhizapilze (Birkenröhrling, Fliegenpilz, Pantherpilz etc.). Deshalb mein Interesse für Pilze, speziell für Mykorrhiza. Mehr oberflächlich als wissenschaftlich seriös. Einfach etwas mehr verstehen vom ökologischen Gefüge und Zusammenspiel.
Einige wahllos herausgegriffene Fragen:
- Wenn ich ein Bäumchen mit Wurzelballen verpflanze, ist dann genug Mykorrhiza in der Erde, um sie am neuen Standort anzusiedeln?
- Besiedelt eine M. verschiedene Baumarten?
- Genügt die Verpflanzung eines "Brockens" Erde aus der direkten Umgebung eines Mykorrhizapilzes, um ihn am neuen Pflanzort anzusiedeln oder muss ich den Pilz selbst verpflanzen?
Das ist nur eine kleine Anzahl von Fragen, die mich beschftigen und auf die ich eine Antwort suche.
Ich hoffe, ich habe mich einigermassen verständlich machen können.

Gruss
Kurt
Jonny70
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von Jonny70 »

Hallo Gerd,

auch von mir vielen Dank für diese sehr gute Ausarbeitung. :su:
Es macht immer wieder Freude eine deiner "Ausarbeitungen" zu lesen.

Mit freundlichen Grüßen

Dirk
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Gerd †
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Kurt,

„Es geht mir letztendlich nicht um theoretisches Wissen um der Wissenschaft willen sondern um besseres Verstehen, was auf meinem Land passiert, und eventuelle Anwendung in der Praxis.“

- M.E. kann man deine Fragen nicht pauschal (schwarz oder weiß) beantworten. Denn dazu ist das Zusammenspiel „Baumwurzel, Mykorrhiza, Substrat) zu komplex.
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„- Wenn ich ein Bäumchen mit Wurzelballen verpflanze, ist dann genug Mykorrhiza in der Erde, um sie am neuen Standort anzusiedeln?

- Im Prinzip JA!

- Aber:
(1) Wurde der „Wurzelballen“ bereits vor der Verpflanzung von einem Mykorrhiza-Partner besiedelt?
(2) Fühlt sich der Mykorrhiza-Partner am neuen Standort wohl und findet dort die ihm passende ökologische Bedingungen (pH-Wert, Nährstoffversorgung (N, P), Feuchte, Licht?)
(3) Das Bäumchen und sein Mykorrhiza-Partner werden dem Konkurrenzdruck der neuen Umgebung ausgesetzt. Und insbesondere der Mykorrhiza-Partner muss sich eine „Nische“ suchen, in der er sich gegenüber der Konkurrenz behaupten/durchsetzen“ kann.

---> Schau dir einmal in nachfolgenden „Folien aus meinem Fundus an, wie komplex die Verflechtungen innerhalb eines „Ökosystems“ sind und welche Parameter (ich zeige nur die m.E. Wichtigsten) eine Rolle spielen:
Standortfaktoren(primär).jpg
Standortfaktoren(primär).jpg (65.49 KiB) 2485 mal betrachtet
Standortfaktoren(sekundär).jpg
Standortfaktoren(sekundär).jpg (81.5 KiB) 2486 mal betrachtet
So nebenbei:

Man muss auch noch zwischen dem „physiologischem“ und dem „ökologischen“ Optimum unterscheiden. Ich zeige dies einmal an dem Beispiel „Waldkiefer“ (Pinus sylvestris) ---> [1]:
- Unter natürlichen Bedingungen (ökologisches Optimum durch Konkurrenzeinfluss) bleibt das Vorkommen auf extrem trockene und saure Sandböden, extrem nasse, saure Standorte und extrem trockene Kalkböden beschränkt.
- Aber, das „physiologische Optimum“ liegt genau dazwischen; ---> an Standorten, an denen sich andere Baumarten „konkurrenzstärker“ durchsetzen und die Kiefer unter natürlichen Bedingungen vertreiben.
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„- Besiedelt eine M. verschiedene Baumarten?

- Nicht alle Mykorrhiza-Pilze besiedeln mehrere Baumarten. Es gibt eine Reihe von Pilzarten (z.B. „Schmierröhrlinge“ (Suillus spec.), die bisher nur an einer Baumart festgestellt wurden.

- Bäume, Sträucher (z.B. Birke, Buche, Eiche etc.; Tanne, Fichte, Kiefer, Lärche, etc.) sind da nicht so wählerisch und „verbandeln“ sich mit mehreren Pilzarten.
---> Und dies ist auch gut so für den Baum/Strauch. Er kann darauf hoffen, dass er auch an einem für ihn nicht „optimalem“ Standort einen Mykkorhiza-Partner (stellen meist sehr enge Ansprüche an die ökologischen Standortbedingungen) findet, der ihn mit Nährstoffen versorgt.

---> Kurzgefasst habe ich dies in meinem Foliensatz“ erwähnt:
Partnerbeziehungen¨ Pilz
- teilweise auch auf nur eine Baum-/Strauchart fixiert,
z.B. Goldröhrling (Suillus grevillei)
---> „Europ. Lärche“ (Larix decidua)
¨ Baum/Strauch
- An wenigen Arten wurde bisher keine Mykorrhiza nachgewiesen.
- Ansonsten (meist/immer?) mit mehreren Pilzarten „verbandelt“
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„- Genügt die Verpflanzung eines "Brockens" Erde aus der direkten Umgebung eines Mykorrhizapilzes, um ihn am neuen Pflanzort anzusiedeln oder muss ich den Pilz selbst verpflanzen?

Die Beantwortung dieser Frage überlasse ich dir und bringe dazu folgende Anmerkungen:

(1) Ein einzigen Fruchtkörper von Calvatia gigantea =Langermania gigantea = (Riesen-Bovist) produziert Sporen (Länge =ca.4,5µm), die aneinander gereiht ca. 30.000km ergeben.
---> Daran kannst du erkennen, wie klein die Chance einer Eroberung „neuer Standorte“ durch Sporenausbreitung ist. Und ich bewerte „geeignete Standorte“ für diese Art nicht einmal als „potenziell gefährdet.

(2) Betrachte den Aufwand, den „Pilzzüchter“ unter Laborbedingungen treiben müssen, um aus Sporen ein mit Myzel durchwachsenes Substrat zu züchten, aus dem auch ein „Normalverbraucher“, wenn er sich an die Anleitung hält, Fruchtkörper ernten kann.

Grüße
Gerd

@Dirk: Danke für die wohlwollende Beurteilung meiner Beiträge

Literatur:

[1] H. Hofmeister (1977): Lebensraum Wald; J.F. Lehmanns Verlag
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
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