Mykorrhiza-Notizen

hier kann alles gepostet werden was mit Pilzen zu tun hat. Forumsstart - 22.12.2004

Moderator: Harry

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Gerd †
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Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Pilzfreundinnen/Pilzfreunde, die über den "Tellerrand hinausschauen",

ich habe einen uralten Tageslichtsatz aus meinem Fundus reanimiert und wegen dieses Beitrags gekürzt bzw. um das Thema "Vergesellschaftung" erweitert.

Das Ergebnis (ein paar Notizen zu "Mykorrhiza", die man nicht in der "Populärliteratur" findet) zeige ich in der Anlage als pdf-Datei.

(Hoffentlich) viel Spass beim Lesen.

Grüße
Gerd
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hegaupilz
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von hegaupilz »

Danke Gerd

das ist hoch interessant und lehrreich.

Sowas ähnliches hast du nicht über holzzersetzende oder Kompostpilze?

Speziel Schweinsohr

Viele Grüße

Holger
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Harry
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von Harry »

Hallo Gerd,

ich kann mich Holger nur anschließen. Interessant und lehrreich, da hast du dir mal wieder eine Wahnsinnsarbeit gemacht. :tup: :tup:

@Holger

Gomphus clavatus ist keineswegs ein Saprobiont, sondern ein Mykorrhizapilz. Er bildet Ektomykorrhizen mit Laub und Nadelbäumen wobei er die Fichte ( Picea abies ) und die Weißtanne ( Abies alba ) deutlich bevorzugt.

Gruß
Harry
Dass man immer noch lernen kann ist herrlich, und auch dass man andere dazu braucht.
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Gerd †
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Harry, hallo Holger (hegaupilz),

freut mich (läuft wie Öl runter), dass euch mein Beitrag gefallen hat.

@Harry:
- Eine Wahnsinnsarbeit (kostete mich nur wenige Stunden) war das nicht, da ich auf meinen "Folienfundus" und den AGERER-Artikel im Tintling zurückgreifen konnte "freu".

@Holger:
- Über "Holzzersetzung/holzzersetzende Pilze" haben ich einiges im Kasten.
---> Einen meiner Vorträge dazu (ca. 150MB Powerpoint-Animation) kennt Harry von einem seiner "Pilzwochenenden". Den müßte ich allerdings deutlich reduzieren, damit ich ihn im Forum veröffentlichen kann. Mal schauen, was ich dazu bringen kann.

- Zu Saprobionten (totes Material, insbesondere Laub-/Nadelstreu, abbauend) und Gomphus clavatus (Violettes Schweinsohr) (---> ein "Ektomykorrhiza"-Pilz", wie HARRY bereits erwähnt hat) gibt mein "Folienfundus" :wo: wenig her.

Grüße
Gerd
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hegaupilz
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von hegaupilz »

Danke Harry und Gerd

ich dachte der Gomphus clavatus (Violettes Schweinsohr) wär ein saprobiont. Wieder was gelernt. Eigentlich weil ich ich ihn meisten im Hexenring sehe.

Über ein paar Informationen über holzzersetzende freu ich mich aber trotzdem immer wieder.

Grüße

Holger
Waldfreund
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von Waldfreund »

Hallo Gerd.

Auch von mir ein herzliches Dankeschön für deine ... du nennst es "Notizen" :un:

Vertiefende Ausarbeitung der Biologie im Mikro- und Makrokosmos der Mykorrhizen würde ich es ganz vorsichtig bezeichnen. :wo:

Ja, ich hatte Spaß beim Lesen. :su:

Mir viel auch direkt beim Lesen ein Laborprojekt ein, von dem ich gehört habe ... ich glaube es war aber mit biochemischen Hintergrund des Stofftransportes mit einem speziellen, nicht fruktifizierenden Ektomykorrhizapilz (die arbeiten nur mit den Hypen). Da gab es wohl interesante Ansätze bezüglich der (noch weitestgehend unbekannten) (Nähr)stoffbandbreite die dort ausgetauscht wird/werden soll. Denke da bist du besser informiert ... mir sind die Details dazu leider gedanklich wieder abhanden gekommen. Da ist wohl noch ein Haufen Forschungsarbeit notwendig. Äh ... nicht an meinem Langzeitgedächtnis, ich meinte die Extomykorrhizen und ihre pflanzenphyiologische Biochemie im Stofftransport. :ge:

Gruß

Wolfgang
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Gerd †
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo zusammen,

freut mich, das meine "Mykorrhiza-Notizen" eine derart positive Resonanz gefunden haben.
---> Für mich ein Ansporn bei "passender" Gelegenheit nochmals in meinem Fundus zu graben, um ein entsprechendes Thema zu reanimieren.

Danke
Gerd

@Wolfgang:
Waldfreund hat geschrieben: Denke da bist du besser informiert ...
Da ist wohl noch ein Haufen Forschungsarbeit notwendig.
- Richtig, zu diesem Schluss "noch ein Haufen Forschungsarbeit notwendig" kommt Prof. AGERER in seinem "Tintlings"-Artikel" auch, obwohl die Dreiecksbeziehungen der "Gomphidiaceen (Gattungen Gomphidius, Chroogomphus) weitgehend aufgeklärt sind.

- Zu dem von dir angesprochenen Forschungsprojekt "Stofftransfer" kann ich spontan (ohne intensive Recherche in meiner Artikelliste) nichts sagen. Beachte bitte, dass ich Hobbymykologe (versteht von ALLEM nichts) und kein "Spezialist" (versteht von NICHTS alles) bin.
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
kurtjegle
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von kurtjegle »

Hallo zusammen

Zu Gerd`s Link über Ektomykorrhiza, Stofftransfer: Versuchsanordnung/Ergebnis. Habe ich das richtig verstanden?
Die nadeltragend Douglasie hat eine geringere relative Photosyntheseleistung als die blatttragende Birke. Zum Aufbau des Baumes gehören Lignin und Cellulose, also C/H/O-Verbindungen. Das Minus an Kohlenstoff kann sie nun über die Mykorrhiza von der Birke beziehen, den Wasserstoff aus dem Boden. Und den Sauerstoff wohl auch aus dem Boden?
Nun meine Frage: Bezieht sich der "Nährstoffaustausch" zwischen den beiden Bäumen hauptsächlich auf den Kohlenstoff? Das wäre im Sinne der Mykorrhiza, da die Douglasie dann stärker wächst und ihr mehr Photosyntheseprodukte anliefert, die sie ja dann zu 15% für sich behalten kann.
Wie ist es aber im Winter, wenn die Birke ihre Blätter abgeworfen und alle vegetativen Funktionen auf ein Minimum heruntergefahren hat? Die Douglasie behält aber ihre Nadeln und setzt die Photosynthese fort. Was ist dann mit dem Stofftransfer?
Oder wo ist mein Denkfehler?

Gruss
Kurt
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Gerd †
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Kurt,

der Online-Editor (stehe mit dem eh auf Kriegsfuß :mrgreen: ) hat zugeschlagen und beim Senden meine Antwort total verstümmelt gekürzt.

- Ok, ich versuche es demnächst nochmals.

Grüße
Gerd
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kurtjegle
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von kurtjegle »

Hallo Gerd

Kein Problem, aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Der Vergleich mit dem Blick über den Tellerrand gefällt mir. Ich sehe das so: Du sitzst im Pilzteller und ich im Baumteller. Jeder schaut aber auch in den Teller des anderen. Find ich gut.

Gruss
Kurt
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Gerd †
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Kurt,
kurtjegle hat geschrieben: Der Vergleich mit dem Blick über den Tellerrand gefällt mir. Ich sehe das so: Du sitzst im Pilzteller und ich im Baumteller. Jeder schaut aber auch in den Teller des anderen. Find ich gut.
- Finde ich auch gut: Denn wie meine "Mykorrhiza-Notizen" zeigen, sind Pilze und ihre Baumpartner aufeinander angewiesen.
---------------------------

- Und jetzt versuche ich deine Fragen aus meiner Sicht zu kommentieren:
kurtjegle hat geschrieben: Die nadeltragend Douglasie hat eine geringere relative Photosyntheseleistung als die blatttragende Birke.
- Dies kann man m.E. dem von mir zitierten Artikel nicht entnehmen, da keine Aussagen über das Alter beider Baumarten angegeben werden.
---> Festgestellt wird, dass:
(a) auch im "Freilandversuch" (ist aus Laborversuchen bekannt) ein Stofftranfer zwischen Bäumen stattfindet
---> und dieser Transfer zwischen "nicht näher verwandten" Baumarten stattfindet, sofern sie über Mykorrhiza miteinander vernetzt sind
(b) die Mykorrhiza nicht nur einzelne Bäume unterstützt, sondern sogar das gesamte "Ökosystem Wald"
(c) der rel. Stofftranser eine Funktion der "Photosynteseleistung" der "Einzelbäume" ist.
---> Und es sollte klar sein, dass die "Photosyntheseleistung" eines Baumes insbesondere vom Alter, der Lichtexposition und der Nährstoffversorgung abhängt.
------------------

kurtjegle hat geschrieben: Nun meine Frage: Bezieht sich der "Nährstoffaustausch" zwischen den beiden Bäumen hauptsächlich auf den Kohlenstoff?
NEIN:
- Grundsätzlich ist (aus vielen Forschungsergebnissen" bekannt, dass der Baumpartner durch den "Mykorrhizapilz" mit allen notwendigen "Mineralien" und "Wasser" versorgt wird.

- Und wenn ich mir die Ursache für den "Stofftransfer" vorstelle, dann vermute ich (Stichwort "Diffusion") einen physikalen Prozess, der zu einer gleichmäßigen Verteilung von Teilchen und somit zur vollständigen Durchmischung (Abbau von Konzentrationsunterschieden bis hin zu einer vollständigen Durchmischung) zweier Stoffe in einer "Lösung" führt.
---> Und hier da es sich bei der "Diffusion" um einen physikalischen Prozess handelt, ist der auch wirksam bei "Isotopen" des gleichen chem. Stoffes, die sich immerhin "physikalisch" unterscheiden.

- Besonders interessant ist die Fähigkeit des Myzels mittels eines hocheffizienten Transport-Proteins der Bodenlösung Phosphat auch bei verschwindend geringer Konzentration zu entziehen. Dadurch können Mykorrhizen drei- bis fünfmal soviel Phosphat aufnehmen wie nicht infizierte Wurzeln. Mehr als 80% davon werden im "Pilzmantel" gespeichert und den Baumwurzeln zugänglich gemacht. [1]

---> Den Freilandversuch sollte man allerdings nicht überbewerten (Vergleiche Versuchsanordnung):
Stofftransfer.jpg
Stofftransfer.jpg (38.74 KiB) 4622 mal betrachtet
- Hier wird nur ein Austausch von "Kohlenstoff" nachgewiesen.

kurtjegle hat geschrieben: Wie ist es aber im Winter, wenn die Birke ihre Blätter abgeworfen und alle vegetativen Funktionen auf ein Minimum heruntergefahren hat? Die Douglasie behält aber ihre Nadeln und setzt die Photosynthese fort. Was ist dann mit dem Stofftransfer?
- Richtig: "Nicht immergrüne Laubbäume" transportieren im Herbst die organische Stoffe aus den Blättern in den Baumkörpern, entfernen das Wasser in den wasserführenden Gefäße und reduzieren ihre Lebensvorgänge auf ein Minimum.

- Richtig auch: Nadelbäume (Ausnahme Lärche) setzten im Winter die Photosynthese fort. Aber beachte bitte das deutlich veringerte Lichtangebot im Winter, das m.E. die "Photosyntheseleistung" deutlich reduziert. Ich sehe da allerdings eine Ausnahme: Junge Bäume, die während der Hauptvegetationsperiode im Schatten von "Laubbäumen" wachsen, dürften einen Vorteil haben.

- Bezüglich Stofftransfer muss ich spekulieren: Das Myzel dürfte auch im Winter (bei nicht deutlich unter dem Gefrierpunkt liegenden Bodentemperaturen) auch weiterhin eine "verm. reduzierte Nährstoffversorgung" der Baumpartner übernehmen. Und vergleiche obige Aussagen zum Phosphat evtl. auch bei Laubbäumen zu einem im Pilzmantel angereicherten "Nährstoffangebot" beitragen, der allerdings in der Ruhepause vom Baum nicht verwertet wird.

Abschlussbemerkung:
- Es gibt noch viel Forschungsarbeit zu leisten. Denn viele die "Mykorrhiza" betreffende Fragestellungen sind noch nicht geklärt.

Grüße
Gerd

[1] M. Harrison, M. van Buuren: "Nature", Band 378:626-629
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
kurtjegle
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Re: Mykorrhiza-Notizen

Ungelesener Beitrag von kurtjegle »

Eilmeldung. Korrektur einer vermutlich falschen Behauptung

Ich hatte weiter oben geschrieben, dass Laubbäume eine relativ grössere Photosyntheseleistung erbringen als Nadelbäume. Das ist wohl falsch.Nach meinen gestrigen Recherchen im Internet ist es eher umgekehrt. Nadelbäume haben eine doppelt so grosse "Blattoberfläche" als Laubbäume, mithin eine doppelt so hohe Sauerstoffproduktion. Genaue Angaben über die gesamte Photosyntheseleistung habe ich noch nicht gefunden.
Entschuldigt bitte meine falsche Aussage. Da war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens. Schien mir wichtig, diese Korrektur so schnell als möglich einzustellen. So, jetzt muss ich weg. Später vielleicht mehr.

Gruss
Kurt
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