Neues vom Schopftintling!

hier kann alles gepostet werden was mit Pilzen zu tun hat. Forumsstart - 22.12.2004

Moderator: Harry

Thomas B.

Neues vom Schopftintling!

Ungelesener Beitrag von Thomas B. »

Hallo zusammen

Diesen Beitrag hab ich eben entdeckt,

http://www.fr-online.de/hanau/jugend-fo ... 79070.html

jetzt müssen alle Pilzbücher geändert werden :sie .

Gruß Thomas
Holger

Re: Neues vom Schopftintling!

Ungelesener Beitrag von Holger »

Hallo Thomas,

ich halte den Beitrag für schlecht recherchiert, da halte ich mich lieber an Dr. René Flammer, er hat mich auf diesen Beitrag hingewiesen. Im letzten Absatz (Fazit) geht er auf C. comatus ein.

Guckst Du hier: http://www.giftpilze.ch/literatur/szp/b ... 2008_4.pdf


Nachtrag in Blau: Die Untersuchungsergebnisse sind immer noch aktuell, es gibt keine neuen Erkenntnisse
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Gerd †
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Re: Neues vom Schopftintling!

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Thomas,
Thomas B. hat geschrieben: Diesen Beitrag hab ich eben entdeckt,

http://www.fr-online.de/hanau/jugend-fo ... 79070.html

jetzt müssen alle Pilzbücher geändert werden :sie .
- Die Pilzbücher müssen m.E. definitiv nicht geändert werden.

---> Ich halte diesen Artikel für eine "Zeitungsente"(verfrühter Aprilscherz) eines völlig unbedarften Reporters!!!

(1) Das "Coprinus-Syndrom" auf "Kopfschmerzen" (für mich sind das eher Auswirkungen eines übermäßigen Algeholgenusses) zu reduzieren ist völliger "Blödsinn".

- Ich zitiere hierzu Dr. R. Flammer, einen anerkannten Kenner der Materie:


...
Voreilige Zuordnungen von Beschwerden in Zusammenhang mit Alkoholgenuss zum Coprinus-Syndrom müssen vermieden werden. Dies gilt auch für Clitocybe clavipes, Coprinus comatus usw. Die Symptome müssen den Hinweisen im Kasten (Anmerkung Gerd: ---> Coprinus-Syndrom weiter unten) entsprechen. Ein plötzlicher Beginn innerhalb Minuten nach einem Apéro ist ein wichtiges Indiz, ein sofortiges Aufflackern
derselben Erscheinungen bei erneutem Alkoholgenuss innerhalb von 3-4Tagen jedoch ein Beweis für ein Coprinus-Syndrom.
...
Coprinus-Syndrom Pilzvergiftung vom Antabustyp. Latenzeit Minuten nach Alkoholgenuss während 3-4 Tagen.
Symptome (meist akut auftretend): Hitzegefühl, Herzrhythmusstörungen, Hautrötung, Blutdruckabfall, Röting des Rumpfes, Atemnot, Rötung der Bindehäute, Schwindel, Pulsbeschleunigung, Sehstörungen, Erbrechen, Panik



(2) Sonderbar, dass ich Dutzende von "Schopf-Tintlings"-Fans kenne, die grundsätzlich ohne geringste Probleme ein Glas Wein oder Bier zu ihrer Mahlzeit trinken.

(3) Den Wert dieser "Jugend-Forscht"-Arbeit kann ich leider nicht beurteilen.
---> Aber, nachdem ich bereits +-erfolgreich mehrere dieser jungen Forscher unterstützt/beraten habe und dabei auch die Konkurrenz-Arbeiten bewerten konnte, weigere ich mich dezeit noch, dass ein derartiger Blödsinn eingereicht und honoriert wurde.

(4) Mich würde der "Artikel dieser Forscherinnen" oder eine Email-Adresse "einer dieser Forscherinnen" interessieren, damit ich den Artikel selbst beurteilen kann.
---> Und ich bin mir auch sicher, dass sich Experten wie "Flammer, Bresinsky, Besl, Anderson etc" freuen würden, wenn in dieser "Jugend-Forscht"-Arbeit (würde mich allerdings sehr überraschen) neue Erkenntnisse vorgestellt werden.

Literatur:
[1] Flammer; Horak (2003): Giftpilze - Pilzgifte
[2] Bresinsky; Besl (1985): Giftpilze. Ein Handbuch für Apotheker, Ärzte und Biologen



Grüße
Gerd

Nachtrag in blauer Schrift zugefügt.
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
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rickenella
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Re: Neues vom Schopftintling!

Ungelesener Beitrag von rickenella »

Hallo und Guten Abend,

der Beitrag von Gerd trifft meine volle Zustimmung. Als Pilzberater (1975 bis 1990) habe ich ab 1984 an den Kliniken in Zwickau, Werdau und Crimmitschau bei der Differenzierung von Pilzvergiftungen mitgewirkt. Eine Pilzvergiftung war zu Zeiten der DDR eine meldepflichtige Erkrankung. Da diese Meldepflicht seitens der Ärzte und Hygieneämter sehr ernst genommen wurde, liegen für diese Zeiträume auch rel. verläßliche und aussagefähige Statistiken vor.
Mit Ausnahme der Orellani-Syndrome habe ich an Menschen mit echter Pilzvergiftung alles "live" kennengelernt. Dabei auch mehrere Male das Coprinus-Syndrom. In einem Fall traten Beschwerden bereits nur nach Verwendung eines alkoholhaltigen Rasierwassers (PITRALON) auf.

Ich möchte beiden Abiturientinnen die Kenntnis von Schopf- und Falten - Tintlingen unterstellen, allerdings fehlt mir dann jeder weitere, sachliche Bezug zu ihrem eingestellten Artikel. Ich weiß, wie manche Redakteure (ohne Rücksprache mit dem Autor) , Fachartikel einkürzen und damit sinnentstellen und wäre wie Gerd, sehr an dem Original-Manuskript interessiert. So jedenfalls, werden Projekte wie "Jugend forscht", nachhaltigen Schaden erleiden.

VG Peter
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AK_CCM
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Re: Neues vom Schopftintling!

Ungelesener Beitrag von AK_CCM »

Hallo in die Runde,

zunächst war ich sehr angetan, dass die beiden Damen ein pilziges Projekt in Angriff genommen haben. Allerdings ließ bei mir die Euphorie deutlich nach, als ich den zeitungsartikel las. Denn Coprin wurde bereits vor mehreren Jahren in C. comatus nachgewiesen. Aber ich kenne den Versuchsaufbau etc. nicht, sodass ich mir nicht anmaßen möchte, über die Arbeit zu urteilen. Dennoch sah ich mich dazu veranlasst, dem Redakteur einen Leserbrief zu schreiben, den ich zudem in Kopie an Jörg Wetterau des "Patenunternehmens" Heraeus zur Information weitergeleitet habe. Denn als Journalist weiß ich aus eigener Erfahrung, dass allein schon aus Zeitgründen nicht jeder Leserbrief berücksichtigt werden kann. Die Nachrichten habe ich am 7.2.2012 abgeschickt, bis dato aber kein Feedback erhalten.
[...] Darin (Anm.: in dem Artikel) schreiben Sie, dass schon geringe Mengen von Wein und Bier ausreichen, um den Genuss einer Mahlzeit aus jungen Schopf-Tintlingen erheblich zu beeinträchtigen. Das ist jedoch zu relativieren, weil die Pilzart mit 26 Milligramm pro Kilogramm Frischpilzgewicht vergleichsweise weniger als ein Fünftel des Copringehalts des Falten-Tintlings (130 mg/ kg Fg) aufweist (siehe Matthies & Laatsch 1992). Bekanntlich macht die Dosis das Gift: Selbst hatte ich in der Vergangenheit schon beschwerdefrei junge Schopftintlinge zusammen mit einem Weißbier genossen.

Sie führen weiter aus: „Es entsteht das Coprinus-Syndrom – ein heftiger Kopfschmerz.“ Das ist jedoch nur eines der Indizien für ein Coprinus-Syndrom bzw. eine Antabus-Reaktion. Typische Symptome umfassen außerdem eine plötzliche Rötung der Gesichts-, Nacken- und teils auch Brusthaut, oft gepaart mit Schweißausbrüchen und dem Gefühl der Schwellung von Gesicht und Händen. Zu den weiteren Begleiterscheinungen zählen oft Übelkeit, Erbrechen, metallischer Mundgeschmack, Schwindel, schneller und selten unregelmäßiger Herzschlag. Schwere Verläufe sind durch Brustschmerzen, Atemnot, Pelzigkeit der Extremitäten, Schwäche und Verwirrtsein charakterisiert (siehe Zilker et al. 1999, Flammer & Horak 2003, Roth et al. 1990, Bresinsky & Besl 1985).

„Das steht in keinem Pilzratgeber“ zitieren Sie die beiden Teilnehmerinnen des Wettbewerbs. In der Tat weisen die meisten Bestimmungsbücher für Pilzsammler nicht darauf hin, dass auch im Schopf-Tintling Coprin enthalten ist, obwohl der Nachweis bereits 1992 durch Matthies & Laatsch erfolgte. In einem Buch wurde sogar fälschlicherweise darauf hingewiesen, dass der Schopftintling gar kein Coprin enthielte. [...]


Literatur:
=========

* Bresinsky, A. & H. Besl (1985): Giftpilze. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart.

* Flammer, R. & E. Horak (2003): Giftpilze – Pilzgifte. Schwabe, Basel.

* Matthies, L. & H. Laatsch (1992): Ungewöhnliche Pilzvergiftungen: Coprin, ein Hemmstoff des Alkohol-Abbaus. Pharmazie in unserer Zeit 21: 14–20.
http://wwwuser.gwdg.de/~hlaatsc/060_Coprin.pdf

* Roth, L. et al. (1990): Giftpilze, Pilzgifte. Nikol, Hamburg.

* Zilker, T. et al. (1999): Coprinus Syndrom. Toxikologische Abteilung des Klinikums rechts der Isar in München.
http://toxinfo.org/pilz/db/frameset.php ... US+SYNDROM.
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