Hallo Harry,
Harry hat geschrieben:
Im Naturforum wurde heute dieser missgebildete Violette Lacktrichterling gezeigt. Von der Bildautorin habe ich die Genehmigung Bilder dieser Missbildung hier zu zeigen. Wenn man sich den Stiel wegdenkt hat sie eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Qualle. Ich sehe hier als Ursache einen Virenbefall. Was denkst du gerd?
Zuerst einmal herzlichen Dank für’s Zeigen und auch an „Winterlibelle“ vom Naturforum für die Freigabe der Bilder.
- - -> Weitere Bilder findet man im
Naturforum
Darunter auch ein Bild von „Uwe“, der die Extremform dieser Missbildung zeigt.
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Diese Bildungsabweichung (Missbildung) gehört in die Schublade "
Prolifikation [1] = Proliferation [2]" - - -> von [prolifer (lat.), prolifère (frz.) = wuchern. Ein deutscher Ausdruck wird in meiner Literatur nicht angegeben.
[1] versteht darunter eine +-exzessive Bildung von Hymenophoren (Lamellen, Stoppeln, Röhren) bei in "Hut und Stiel" gegliederten Pilzen. Er unterscheidet drei Untergruppen, die er als nicht prinzipiell verschieden bewertet:
(a) "Pleurotoide Prolifikation" - - -> lappig-gekräuselte Aufgliederungen des Hutrands mit zum Erbdoden zeigendem Hymenophor
- Da habe ich auf die Schnelle (hatte 67Treffer mit dem Stichwort „Prolifikation, Autor „Gerd“ , Unterforum „Gruselforum) auf den ersten 4 Seiten nix passendes gefunden.
(b) "Inverse Prolifikation" - - -> Bildung von kleinen, stiellosen Hütchen (meist auf dem Hutscheitel, seltener am Hutrand) mit senkrecht oder schräg nach oben zeigendem Hymenophor bzw. direkt aus der Huthaut ohne Hutbildung herausbrechendem Hymenophor. Das Hymenophor kann mitunter auch gekräuselt sein und netzartig anastomosieren.
- Ein schönes Beispiel wird im
Gruselforum gezeigt
(c) "Morchelloide Prolifikation" - - - > der Extremfall, bei dem die gesamte Hutoberfläche von mannigfach deformierten Hymenophoren überzogen wird. Die Lamellen sind oft wabenartig vernetzt, der Hut ist so weit nach unten gebogen, dass er eine Kugelform annimmt und sein Rand den Stiel berührt.
- Eine besonders schöner, filigraner Fruchtkörper wird im
Gruselforum gezeigt
Übrigens: Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, dass es oft Übergänge (Grauzonen) zwischen den genannten Formen gibt, bei denen eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist!
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Über die Ursache herrscht Unklarheit. [1] Es werden folgende Ursachen diskutiert:
(1) Gendefekt oder Virusbefall
- Begründet wird diese Annahme damit, dass im Labor bei bestimmten Myzelien oder Kulturstämmen jahrelang diese Missbildung beobachtet wurde.
- - -> Ja, m.E. ein nachvollziehbares, überzeugendes Argument
(2) Witterungseinflüsse
- Z.B plötzlich einsetzende Regenfälle im Spätherbst, die eine randliche Wiederbelebung des Wachstums bereits vorhandener Fruchtkörper auslösen.
- - -> Dazu habe ich etwas in meiner Literatur gefunden:
[3] zeigt eine "morchelloide Prolifikation" eines Fruchtkörpers, der sehr stark an eine Morchel, Lorchel erinnerte und durch mikroskopische Bestimmung sich als Violetter Lacktrichterlings (Laccaria amethistrina) entpuppte. Er berichtet über seinen Versuch, diesen Fruchtkörper über Nacht für A. Bollmann zu retten und legte den Fruchtkörper "auf feuchtem Papier in einer Plastikdose in den Kühlschrank".
- - -> Doch oh Wunder: Der Fruchtkörper hatte sich über Nacht zu einem "+-normalen Lacktrichterling" umentwickelt. Dies würde die These stützen, dass auch Umwelteinflüsse eine derartige Missbildung verursachen können. Und das Besondere (weitere Literaturhinweise kenne ich nicht) ist, dass „witterungsbedingt“ derartige Missbildungen sogar rückgebildet werden können.
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Zurück zu dem gezeigten Fund:
(1) Ich spekuliere jetzt einfach und halte eine wittereungsbedingte Ursache für plausibel:
(2) Derzeit würde ich das noch als „pleurotoide Form“ einstufen.
- - -> Aber evtl. war diese Wucherung noch nicht abgeschlossen und die Lamellen waren gerade dabei den gesamten Hut (Vorstufen dazu kann man auf einem der Bilder erkennen) zu überwuchern.
Nachtrag:
- Ich hatte da an dieses Bild gedacht, auf dem man (links) sieht, wie zwei Lamellen den Hutrand erobert haben!
Grüße
Gerd
Literatur:
[1] (ID-05008): Michael - Hennig - Kreisel (1983): Handbuch für Pilzfreunde, Band V, S26:62; 108-124
[2] (2001): H. Dörfelt/G. Jeschke (2001): Wörterbuch der Mycologie; 2. Auflage; Spektrum
[3] (ID-04837): Staudt E. (2000): Voll daneben !; Südwestdeutsche Pilzrundschau 36(2): 42-43
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PS.: Jetzt endlich hat das Absenden geklappt