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Unbekannter Rindenpilz

Verfasst: Do 5. Mär 2009, 14:04
von mykologicus
Guten Tag an die Forumsleser,
ich bin neu hier und möchte mich kurz vorstellen. Ich heiße Sabine, wohne im nördlichen Hamburger Umland und interessiere mich schon seit etlichen Jahren für Pilze. Ich gehöre zu den Lernenden und glaube, dass ich hier viel dazu lernen kann.

Ich möchte einen Fund vorstellen, bei dem ich nicht recht weiter komme. Der Pilz wuchs auf einem Strauch namens Deutzie (lt. Gärtner). Er bildet zunächst kleine helle, völlig resupinat wachsende Placken mit weiß-faserig ausgefransten Zuwachsrändern. In der Mitte erscheinen kleine Zähnchen. Die Farbe ist hellbeige bis dunkler ockerfarben. Die Konsistenz fühlt sich wachsartig an. Eine Gesamtansicht in Bild 1.

Dort wo der Pilz oben auf dem Ästchen wächst, liegen die Zähnchen bzw. stehen schräg vom Substrat ab. Bild 2.

Wo der Pilz von unten am Ast wächst, zeigen die Zähne senkrecht nach unten und sind hier auch deutlich länger. Für Bild 3 habe ich das Ästchen gedreht.

Die zahnförmigen Fruchtkörper sind 5 mm bis 10 mm lang, auf der Oberfläche uneben wie Stalagtiten. An der Spitze sind sie - mit der Lupe entdeckt - filzig und weiß ausfransend behaart und manche kammartig gespalten. Bild 4.

Mit der größten möglichen Makro-Annäherung ist sichtbar, dass größere Zähne innen hohl sind. Bild 5.

Der Ast wurde gestern entnommen, und jetzt, wo alles trocken wird, löst sich der resupinate Anteil an den Seiten vom Ast ab. In Längrichtung des Astes sind quer verlaufende Risse entstanden, wie ich sie ähnlich bei Zystidenrindenpilzen gesehen habe. Die Unterseite ist weiß. Einen Geruch konnte ich nicht feststellen. Geschmack habe ich lieber nicht geprüft. Beleg vorhanden.

Das Habitat bestand aus naturbelassenem Waldrandstreifen, in einem Teil standen überwiegend Fichten, in einem anderen Teil eine Mischung aus Buchen, Eichen und Birken. Es gab aber auch einige wenige Kiefern. Totholz und Äste lagen in größeren Ansammlungen.

Hat hierzu vielleicht jemand eine Idee zu meinem "Arbeitstitel Wachskruste"? Ich hoffe ich habe alles ausführlich genug beschrieben. Vielen Dank im voraus fürs ansehen und

liebe Grüße
Sabine

P.S. ich sehe gerade in der Vorschau, das das letzte Bild als erstes angezeigt wird. Beim nächsten Beitrag werde ich das berücksichtigen.

Re: Unbekannter Rindenpilz

Verfasst: Do 5. Mär 2009, 17:33
von Ingo W
Hallo Sabine!

Schöne Fotos!!
Ich denke, da müsste ein absoluter Zähnchen-Rindenpilz-Spezialist vorbeischauen, um deinen Fund schon ein bisschen makroskopisch einengen zu können.

Deinen Fund halte ich für einen Vertreter von Grandinia/Hyphodontia (Zähnchen-Rindenpilze), wobei es aber auch einige andere Gattungen gibt, welche zähniges Hymenophor ausbilden. Die Zahnhaltung, Zahngröße, Form usw. schließen m.E. bekanntere Arten wie Cerocorticium molare (Gezähnelter Reibeisenpilz), Hyphoderma/Radulomyces radula (Reibeisen-Rindenpilz) und kleinzahnige Hyphodontia-Arten aus.

Für eine Arteingenzung muss m.M. nach mikroskopiert werden, ich müsste es zumindest, wobei dann bei diesem schwierigen Pflaster eine eindeutige Artbestimmung immer noch nicht garantiert ist.

VG Ingo W

Re: Unbekannter Rindenpilz

Verfasst: Do 5. Mär 2009, 17:53
von mykologicus
Guten Abend Ingo,
herzlichen Dank für deine Wegweise in Richtung Hyphodontia/Grandinia. Letztere Gattung habe ich noch nie gehört. Aber es gibt mir die Möglichkeit, auf dieser Basis weiter zu recherchieren.
Mikroskopieren - ich habe es fast schon vorher gewußt. Dazu fehlt mir die Ausrüstung und das notwendige Wissen.
Vielleicht habe ich auch Glück und einer der Spezial-Spezialisten sieht das Posting.
Bitte noch um einen Rat: soll ich den Beleg lieber trocknen lassen oder vorübergehend in Moos einpacken und "frisch" halten?

Einen schönen Abend noch und
liebe Grüße Sabine

Re: Unbekannter Rindenpilz

Verfasst: Do 5. Mär 2009, 19:00
von Harry
Hallo Sabine,

zunächst einmal ein herzliches willkommen im Forum. Deine Anmeldung hat mich sehr gefreut.

:su:

Dass es sich bei deinem Pilz um einen Vertreter der Zähnchenrindenpilze handeln könnte hat Ingo ja schon erläutert. Die Gattung Hyphodontia ( früher Grandinia ) gibt selbst so manchem erfahreren Corticiaceenkenner mit guten Mikroskopierkenntnissen Rätsel auf. Nur mit frischem oder gut präpariertem Material hat man eine Chance die richtige Art sicher zu bestimmen.

Etwas seltsam scheint mir der Wirt zu sein. Die Deutzie ist eigentlich kein Strauch den man in einem naturbelassenen Waldrandstreifen findet. Diese zu den Hortensiengewächsen zählenden Ziersträucher begegnet man eher in Privatgärten oder Parkanlagen. Kann man sich auf die Bestimmung des Gärtners verlassen?

Gruß
Harry

Re: Unbekannter Rindenpilz

Verfasst: Do 5. Mär 2009, 19:14
von mykologicus
Hallo Harry,
danke für die freundliche Aufnahme hier! Ich denke, so ganz daneben muss er nicht unbedingt liegen. Der Waldrand liegt an einer Straße, die auf der anderen Seite mit Einzelhäusern bebaut ist. Um den Deutzienast herum wand sich auch ein Jelängerjelieber. Neben einem Buchenstubben fanden sich einige wenige kompostierbare Küchenabfälle. Vielleicht hat sich die Deutzie aus abgelagerten Gartenabfällen entwickelt. "Naturbelassen" ist der Waldrand insofern, als nichts gepflegt wird und Asthaufen liegen bleiben dürfen. Dieser Waldrand ist eine Fundgrube ohne gleichen, ich habe dort langersehnte Funde getätigt. Dieser Rindenpilz schien mir der fragilste zu sein, für evtl. Nachfragen wollte ich ihn möglichst "frisch" einstellen.
Liebe Grüße Sabine

Re: Unbekannter Rindenpilz

Verfasst: Fr 6. Mär 2009, 10:01
von Harry
Hallo Sabine,
mykologicus hat geschrieben:Hallo Harry,
Der Waldrand liegt an einer Straße, die auf der anderen Seite mit Einzelhäusern bebaut ist. Um den Deutzienast herum wand sich auch ein Jelängerjelieber. Neben einem Buchenstubben fanden sich einige wenige kompostierbare Küchenabfälle. Vielleicht hat sich die Deutzie aus abgelagerten Gartenabfällen entwickelt. "Naturbelassen" ist der Waldrand insofern, als nichts gepflegt wird und Asthaufen liegen bleiben dürfen. Dieser Waldrand ist eine Fundgrube ohne gleichen, ich habe dort langersehnte Funde getätigt. Dieser Rindenpilz schien mir der fragilste zu sein, für evtl. Nachfragen wollte ich ihn möglichst "frisch" einstellen.

Liebe Grüße Sabine
ja dann ist die Deutzie natürlich möglich. Ist der Wirt sicher bestimmt ist das schon interessant da ich von einem Zähnchenrindenpilz an Deutzie bislang noch nichts gehört habe. Sollte sich niemand mehr melden kannst du mir nächste Woche das Material zuschicken. Frisch wäre natürlich am besten, geht das nicht nehme ich es auch getrocknet. Corticiaceen gehören nicht gerade zu meinen Lieblingen, deshalb ist es auch noch ungewiss ob ich bei diesen schwierigen Dingern überhaupt was rauskriege. Ich denke aber es ist auf jeden Fall einen Versuch wert.

Gruß
Harry

PS: Adresse schicke ich dir Anfang nächster Woche per PN.

Re: Unbekannter Rindenpilz

Verfasst: Fr 6. Mär 2009, 10:10
von mykologicus
Hallo Harry,
das finde ich ja klasse! Danke im voraus!
Liebe Grüße Sabine

Re: Unbekannter Rindenpilz

Verfasst: Fr 6. Mär 2009, 12:31
von Gerd †
Hallo Sabine,

Herzlich willkommen in diesem Forum

:su: Ich finde es toll, dass du vom "stillen Mitleser" jetzt auch hier :D ) aktiv wirst.
----------------------------------------

Mit deinem Einstiegsbeitrag hast du wieder einmal eine sehr nachahmenswerte Glanzleistung hingelegt.

---> Leider bin ich "Corticiaceen"-Laie und kann dir bei deinem Fund keine Bestimmungshilfe geben.
- Macht nix, dein Fund ist ja bereits in besten Händen.

Ganz liebe Grüße
Gerd

Re: Unbekannter Rindenpilz

Verfasst: Sa 7. Mär 2009, 11:24
von mykologicus
Hallo lieber Gerd,
ist das nicht ein bisschen viel des Lobes? Geb' mir halt Mühe.
Liebe Grüße Sabine

Re: Unbekannter Rindenpilz

Verfasst: So 8. Mär 2009, 22:12
von mykologicus
Hallo und guten Abend Harry,
ich habe heute neues Frischmaterial besorgt. Der vorhandene Beleg war ja - wie geschrieben - schon etwas angetrocknet und ist auch mit Lagerung in Moos nicht besser geworden. Das erste Original am Strauch habe ich nicht wieder gefunden, dafür aber den gleichen Pilz an anderem Wirt. Weiss aber leider auch hier nicht, welcher Baum.

Damit verbinde ich eine Frage: Ich sehe ein, dass ich dringend Bäume und Gehölze lernen muss und würde mich über eine Empfehlung freuen. Die Neuerscheinung "Grundkurs Gehölzbestimmung" von Rita Lüder werde ich mir zulegen. Es hat einen Bestimmungsschlüssel und basiert auf dem FITSCHEN. Ich werde mir aber noch ein Bestimmungsbuch zulegen und habe die Wahl zwischen a) Taschenlexikon der Gehölze (auch Neuerscheinung, 400 S.) über die 500 wichtigsten Gehölzarten in Deutschland (Borke, Blätter, Blüten, Knospen, Früchte) oder b) Fitschen Gehölzflora mit Bestimmungsschlüssel nach vegetativen Merkmalen/Knospen/Zweigen im Winterzustand bei 1.700 Arten (928 S.). Spricht eigentlich eine Menge für den Fitschen, oder gibt es eine andere Empfehlung? Ich hoffe, dass dies jetzt nicht als Werbung gewertet wird ...

Liebe Grüße Sabine

Re: Unbekannter Rindenpilz

Verfasst: Mo 9. Mär 2009, 10:40
von Harry
Hallo Sabine,

gut dann schick mir das Material bitte zu, ich werde versuchen dem Kind einen Namen zu geben. Da Corticiaceen nicht gerade zu meinen Lieblingen gehören kann ich dir aber ein brauchbares Ergebnis nicht versprechen. Meine Anschrift habe ich dir per PN übermittelt.

Zur Bestimmungsliteratur von Bäumen und Strauchgehölzen

die von dir genannten Werke sind durchweg empfehlenswert. Dem Fitschen solltest du Vorrang gewähren - dieses Standardwerk sollte bei keinem Baumbestimmer im Regal fehlen.

Sehr gut finde ich auch die Werke:

Enzyklopädie der Sträucher
Enzyklopädie der Laubbäume
Enzyklopädie der Nadelbäume


es sind zwar keine reinen Bestimmungsbücher, bieten aber sehr viel Information und Hintergrundwissen zu den genannten Baumarten. Die drei Werke sind mittlerweile auch preisgunstig zu erwerben. Wenn du möchtest schicke ich dir die ISBN - Nummern per PN zu.

Gruß
Harry

Re: Unbekannter Rindenpilz

Verfasst: Do 12. Mär 2009, 20:43
von Harry
Hallo Sabine,

ich habe dein Material vorgestern erhalten und heute nachmittag mikroskopiert. Auffällig war das weder bei dem Pilz auf dem Deutzienästchen noch bei dem auf dem unbekannten Substrat Sporen zu finden waren. Dennoch habe ich anhand anderer Mikromerkmale festgestellt, dass es sich doch um verschiedene Arten handelt. Bei dem Pilz auf dem unbekannten Substrat kam mir gleich Hyphoderma radula in den Sinn.

Hyphoderma radula - Reibeisenrindenpilz

auffällig ist das runde vollkommen resupinate Wachstum der Basidicarpien. Diese " Flecken " können später zusammenwachsen und so größere Flächen des Substrates überziehen.

Bild

auf dem 2. Foto ist sehr gut der abgegrenzte, faserige Rand zu sehen.

Bild

etwas vergrößert zeigt das 3. Foto die stumpfen, unregelmäßigen Zähnchen. Hier sind sie meist abgeplattet - sehen aus wie abgeschnitten.

Bild

Wie oben schon erwähnt waren keine Sporen, ja noch nicht einmal reife Basidien zu finden. Sehr deutlich war die doch zahlreichen Schnallen an den Septen zu sehen. Auch nach den welligen und dünnwandigen Leptozystiden brauchte ich nicht lange zu suchen. Ich denke anhand der makroskopischen sowie auch der vorhandenen mikroskopischen Merkmale kann man diesen Pilz als Hyphoderma radula ablegen.

Schwieriger war es bei dem Pilz auf dem Deutzienästchen

Hyphodontia spec.

Bild

das Teil war wesentlich zäher und ich habe schon einige Zeit und ein Dutzennd Deckgläschen gebraucht um eine halbwegs gescheites Präparat hinzubekommen. Im Präparat konnte ich zwar einige reife Basidien entdecken aber ebenfalls keine Sporen. Am auffälligsten waren hier die Hyphen die teilweise sehr stark mit Kristallen besetzt waren. In Verbindung mit den teilweise beschnallten Septen und kopfige, zystidenähnliche Gebilde spricht doch einiges für die Gattung Hyphodontia. Eine Artbestimmung traue ich mir hier wegen der fehlenden Sporen nicht zu.

Mikrofotos kann ich leider nicht liefern da mir die technischen Vorraussetzunge dafür fehlen. Ein Fotoadapter für meine Nikon D200 kostet ca. 600 Euronen und das ist mir schlichtweg zu teuer. Sabine, ich hoffe das Ergebnis ist halbwegs zufriedenstellend für dich.

Gruß
Harry