Hallo Jérôme,
Zuerst einmal Danke für die Zusendung des Trockenmaterials.
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- Bei deinem Fund kann man wegen der Sporenmaße (L x D = 5,9 –
6,9 – 7,9µm; Q = L/D = 1,07 –
1,11 – 1,15; Vm = 143µm^3)
Hydnum ellipsosporum völlig ausschließen.
- Auch
H. repandum s.str. kann man bereits makroskopisch ausschließen:
---> Die Stacheln sind zu kräftig, stehen nicht eng genug zusammen, laufen nicht am Hut herab und die Hutfarbe passt nicht.
Fazit 1:
- Diesen Fund kannst du als
Hydnum rufescens (Rotgelber Semmel-Stoppelpilz) ablegen.
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Doch jetzt zu den Bildungsabweichungen (Missbildungen), die man am Trockenmaterial besser beurteilen kann als auf deinen Bildern:
- Auffällig ist, dass aus
einem miteinander verwachsenem Stiel sich zwei etwa gleich große Hüte entwickelt haben.
- Die Schublade,
"Verwachsung (Pseudofasciation)", für diese Bildungsabweichung wurde bereits vorgestellt und diskutiert; z.B.
viewtopic.php?f=34&t=3348
oder
viewtopic.php?f=34&t=3434&hilit=fasciation
Doch es gibt eine Abweichung gegenüber der „Normalform“ (z.B. bei Röhrlingen), bei denen sich die Stiele nach außen krümmen, damit sich das Wachstum der Hüte nicht gegenseitig behindert:
- Dies ist deinem „Stoppelpilz“ nicht gelungen und deshalb haben beide Hüte eine als untypisch anzusehende Form angenommen:
---> Einer der Hüte ist nur zur Hälfte ausgebildet und „seitlingsartig“ gestielt, der andere zusammengefaltet trichterförmig. Beide Hüte sehen übrigens auch recht „verknittert“ aus und sind ohne Verwachsung ineinander verwoben. Deshalb auch das „wirre“ Bild, bei dem man kaum erkennen kann, welche Anteile zu den Einzelhüten gehören.
---> Die Hutform würde ich unter diesen Umständen (gegenseitige Behinderung) nicht als „Missbildung“ sondern nur als „Wachstumsanpassung“ (und damit noch in der normalen Variabilität liegend) bezeichnen. Auch die Ausprägung der Stacheln ist völlig typisch und sie enden „abrupt“ oberhalb des Stielansatzes.
- Wenn man genauer hinschaut kann man noch folgendes feststellen:
(a) Die Stielbasis ist klumpig verdickt und fast waagrecht abgeknickt.
(b) An der Stielbasis wachsen noch zwei weitere kleinere, in ihrer Entwicklung gestörte Fruchtkörper.
Fazit 2:
- Die Stielverwachsung gehört in die Schublade
"Verwachsung (Pseudofasciation)"
- Da offensichtlich 4 „Primordien (Fruchtkörperanlagen) beteiligt waren kann man den Fruchtkörper auch als „Vierfach-Fruchtkörper“ bezeichnen.
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Doch da gibt es ja noch „gallenartige“ Auswüchse am Hutrand. Schneiden man die auf, so stellt man fest, dass es sich um „stiellose, eingerollte mit dem darunter liegenden Hut verwachsene Einzelhütchen“ mit teilweise fehlenden oder „reduzierten“ Stacheln handelt.
- Und auch für diese Art von Missbildung gibt es die Schublade
„Proliferation“, die wir bereits mehrfach in unterschiedlichen Ausprägungen bis hin zur Extremform „morchelloid“ vorgestellt und diskutiert haben.
- Übrigens scheinen diese „Auswüchse“ hier steril zu sein, da ich keine Sporen/Basidien gefunden habe.
- Das Gewebe erscheint normal zu sein und ich kann auch kein Fremdgewebe erkennen, das auf einen „Pilzbefall“ hinweisen würde.
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Jetzt bleibt nur noch übrig, über die Ursache dieser Missbildung zu spekulieren:
- Ich vermute eine „witterungsbedingte“ Ursache. Der extrem eingekrempelte Hutrand und der für diese Art recht kurze Stiel stützen meine Vermutung, dass hier insgesamt eine „trockenheitsbedingte“ Wachstumsstörung vorliegt und die Auswüchse nachträglich (vergleiche die helle Farbe der Auswüchse auf deinen Bildern) durch versuchte Regeneration entstanden sind.
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Abschlussbemerkung
- Ich habe zwar eine derartige „Bildungsabweichung noch nie beobachtet. Um so mehr erstaunt mich, dass fast zeitgleich
Hier im
Das-Naturforum.eu von Andreas ein ähnliches Bild eingestellt wurde.
Beste Grüße
Gerd