Hallo Sabine,
mykologicus hat geschrieben:
An einem Waldsaum sowohl in der Nadelstreu unter Fichten (eine Lärche stand auch in ca. 20 - 25 m Entfernung) als auch im Moos habe ich Fruchtkörper gefunden, die ich für den Dottergelben Spateling Spathularia flavida halte.
Herzlichen Dank für's Zeigen deines Fundes.
- Diese wunderhübsche Art hatte ich bisher nur ein Mal aus meinem Sammelgebiet (MTB7425; 620mNN) in der Hand.
- [1] schreibt zur Verbreitung folgendes:
„recht verbreitet in süddeutschen Bergnadelwäldern, im Flachland sehr selten.“
---> Erstaunlich: [2] listet auch nur 6 Funde (1977-1999 in den MTBs 7526, 7527, 7425, 7625) für den Ulmer Raum, obwohl die BRD-Verbreitungskarte [3] im Ulmer Raum (insbesondere nördlich der Donau; mit 600-700mNN noch submontan!) eine deutliche Verdichtung zeigt und diese Art in den RL von BW und BY nicht erwähnt wird.
Und [8] bezeichnet diese Art als
„in der DDR sehr selten“.
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Noch ein Satz zu deiner Artbestimmung:
- Ja, so stelle ich mir
Spathulina flavida = Sp. Flava (Dottergelber Spateling) auch vor.
---> Das Problem dabei ist, dass es den Doppelgänger
Spathulina neesii (Ledergelber Spateling) gibt, der nach [4] makroskopisch sehr ähnlich aussieht, aber deutlich längere Sporen hat.
Anm. 1:
- Sp. neesii wird in [5] und [6] als eigenständige Art gelistet fehlt allerdings in der DGfM-OnlineKartierung [7]
Anm. 2:
- Noch eine Anmerkung zum Substrat, dass in der Literatur (Nadelwald, Fichte/Kiefer und/oder Lärche) nicht einheitlich angegeben wird.
- Besonders beachtenswert finde ich einen Hinweis in [2]:
„Laut Pätzold ist diese Ar tein obligatorischer Begleiter von Lärche, wenn nicht sogar ein Symbiont.“
- ENDERLE hat darauf hin seine Fundstellen überprüft und überall auch Lärchen gefunden!!!
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mykologicus hat geschrieben:
Und bei der Durchsicht meiner Bilder ist mir dann eines besonders aufgefallen, weil
a) aus einem Stiel zwei Hüte wachsen - soweit man beim Spateling von Hut sprechen kann
b) der rechte Hut zudem nicht nur wellig, sondern geradezu kraus ist.
2009-09-22 #9857-f Dottergelber Spateling Spathularia flavida.jpg
Ein seltener Pilz und dann noch mit einer Bildungsabweichung. Das ist doch etwas Besonderes.
Herrlich:
- Klassische „Doppelfruchtkörper“ (Schublade
„(Stiel-)Verwachsung“, „Pseudofasciation“) bei Ascomyceten wurden bisher nur
Hier vorgestellt.
---> Charakteristisch für diese Missbildung sind +- drehrunde, im unteren Stielteil verwachsene Stiele, die im Verwachsungsbereich eine typische beiderseitige Längsfurchung aufweisen. Oberhalb der Verwachsungsstelle krümmen sich die Stiele seitwärts nach außen und bilden meist nicht verwachsene Hüte aus. Typisch ist auch, dass die Hüte etwa gleich groß sind und in etwa der gleichen Ebene liegen.
---> Die Ursache für Verwachsungen kann leicht durch „+-synchrone Weiterentwicklung nahe benachbarter, Fruchtkörperanlagen (Initialknötchen, Primordien) der gleichen Art“ erklärt werden, von denen sich im "Normalfall" nur eine der Fruchtkörperanlagen entwickelt. Bei der "synchronen" Weiterentwicklung von zwei benachbarter Primordien, die in der Regel bereits am Stiel miteinander verwachsen sind, kommt es zur Bildung von "Doppel-Fruchtkörpern". Und analog dazu bei 3 Primordien zu "Drillings"-Bildungen, bei 4 Primordien zu "Vierlings"-Bildungen etc.
- Und nun zeigst du uns eine weitere, insbesondere im Flachland sehr seltene Asco-Art mit Stielverwachsung, die ich auch in die Schublade „Doppelfruchtkörper ---> Verwachsung (Pseudofasciation)“ ablegen würde.
---> Wenn ich das Bild korrekt bewerte sehe ich einen feinen Unterschied (den wir bisher noch nicht hatten!) zu der „klassischen Form“: Der unterste Stielteil ist nicht miteinander verwachsen und die Verwachsungsstelle liegt etwas höher.
---> Dennoch, außer „Pseudofasciation“ fällt mir da keine andere Schublade ein. Übrigens scheint mir eine „Stielverwachsung“ bei „Spathulina flavida“ gar nicht so selten zu sein, da ich bei einer Bildkontrolle in meiner Populärliteratur auch auf ein Bild gestoßen, bei dem die Stiele noch stärker und typischen zusammengewachsen waren.
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Besonderst interessant ist natürlich der rechte Fruchtkörper, bei dem ich die Stiel-/Hutausprägung „nur nach Bild“ leider nicht wirklich bewerten kann. Ich spekuliere einmal:
(a) Der Hut (vergleiche die Beschreibungen in der Literatur!!!) liegt noch innerhalb der Variabilität.
---> Scheint mir wahrscheinlich zu sein, da man m.E. nicht jede „Normabweichung“ gleich als „Missbildung“ bezeichnen sollte.
(b) Mit sehr viel Fantasie (kann man m.E. nach dem Bild nicht einmal spekulativ bewerten) könnte es sich auch um einen in Stiel und Hut verwachsenen „Doppelfruchtkörper“ handeln, den man dann als „Verbänderung (Fasciation)“ bezeichnen müsste.
Das Problem: Eine derartige Missbildung wird in [9] für Ascos nicht erwähnt
---> Und wenn der Stiel „drehrund“ (ohne Längsfurchung) ist, dann könnte ich mir (auch nur eine Spekulation) eine „Prolifikation“ (Exzessive Bildung von Hymenophoren) vorstellen.
Mein Fazit:
- Vergiss es (sofern ich den Fruchtkörper nicht in der Hand beurteilen kann) und betrachte
ich den rechten Fruchtkörper noch
in der Variabilität diese Art liegend.
Liebe Grüße
Gerd
Literatur
[1] M. Bon (1988): Pareys Buch der Pilze.
[2] M. Enderle (2004): Die Pilzflora des Ulmer Raumes.
[3] G.J. Krieglsteiner (1993): Verbreitungsatlas der Großpilze Deutschlands (West) Band 2; Ulmer Verlag
[4] H. Grünert (1993): Zwei interessante und seltene Ascomyceten auf einem Friedhofsgelände im Ostallgäu gefunden.; APN Jahrg. 11(2)
[5] A. Bollmann et al. (2007): Abbildungsverzeichnis
[6]
IndexFungorum
[7]
SynopWin
[8] Michael - Hennig - Kreisel (1986): Handbuch der Pilzfreunde Band 2
[9] (ID-05008(1)) Michael - Hennig - Kreisel (1983): Handbuch für Pilzfreunde, Band V, S. 26-62; S. 108-124 (Tafel 1-16)
Nachtrag in blauer Schrift