ich will Euch an nachfolgendem aktuellen Beispiel aufzeigen, wie wichtig es ist den Wirt genau zu kennen, um eine Bestimmung durchführen zu können:
Auf 2 Jungpflanzen, die am Geländer der Brücke über einen Wassergraben wuchsen und die ich als "Salix sp." bestimmte, habe ich einen Mehltaupilz gefunden, der beidseitig Myzel und reichlich sehr schöne Perithezien mit langen dichotom verzweigten Appendices und 4-sporigen Asci gebildet hat.
Nach Klenke, Braun, Brandenburger und Ellis & Ellis kämen auf Salix nur
Jetzt gibt es nur 2 Möglichkeiten:
1. Der Wirt Salix sp. stimmt nicht, was ich mir eigentlich vorstellen kann, obwohl ich nicht weiß, was für eine Salix das sein soll, doch vom ganzen Habitus her tippe ich auf Salix.
2. Wenn es Salix sp. ist, was ist das für ein Mehltaupilz ?
Hier die entsprechenden Bilder des Salix sp.:
und die zugehörigen Mikrobilder:
Diese Problematik habe ich Professor Braun, dem absoluten Spezialisten mitgeteilt und um Bestimmungshilfe gebeten und von ihm folgende Antwort bekommen:
Lieber Herr Emgenbroich!
Ihr Wirt ist mit Sicherheit kein Salix. Dort gibt es kein Erysiphe sect. Microsphaera. Sie sollten einfach mal meine morphologischen Schlüssel ausprobieren. das ist nicht einfach, aber geht auch ohne Wirtskenntnis. Ich kann natürlich keine Ferndiagnosen geben. Nach den Bildern (Verzeigungen recht variabel, unregelmäßig, Spitzen der Anhänsel nicht umgebogen) sieht der Pilz nach Erysiphe (Microsphaera) lonicerae aus.
Herzliche Grüße,
Uwe Braun
Da war guter Rat teuer, aber der Hinweis auf die Sektion "Microsphaera" schloß Salix damit definitiv aus und dann habe ich ja noch einen anderen Spezialisten, der mir immer in botanischen Fragen hilft, unseren "Heinz", sprich Professor Butin.
Den hatte ich im Vorfeld schon angesprochen, aber er konnte damals nichts sagen, da er seine Mehltau-Unterlagen ausgeliehen hatte .
Jetzt habe ich ihm dann die Antwort von Prof. Braun und auch die zugehörigen Bilder geschickt und um Wirtsbestimmung gebeten.
Hier die Antwort:
Hallo Detlef,
mit der Zuordnung des "Mehltaupilzes auf Salix" komme ich auch nicht weiter. Hier müsste man einen Gesamteindruck der Pflanze haben, am besten natürlich ein Herbarexemplar. Fast hat man den Eindruck, es handele sich um einen Weihnachtsstern (Euphorbia pulcherrima); auch könnte es sich um Rumex oder eine Meldenart handeln. Also nichts genaues weiß man nicht! Aber neugierig bin ich trotzdem.
Gruß von Haus zu Haus Heinz
Da bin ich dann sofort losmarschiert und habe ein neues Gesamtbild gemacht und das sieht so aus:
habe die Frischbelege sofort eingepackt und inklusive des Bildes an Heinz geschickt.
Hier das Ergebnis:
Hallo Detlef,
nach Erhalt der Pflanzenprobe und der ausgeliehenen Mehltauliteratur kommt man auf zwei Wegen zu einem akzeptablen Resultat:
1. Bei Anwendung des "Key to the species" (nach Empfehlung von Braun) führt der Weg über Microsphaera zu Erysiphe euonymi (Fruchtkörper ca. 90 µm, Anhängsel 400-600 µm, Asci 20x12 µm mit 4 Sporen).
2. Bei der Wirtspflanze handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit um das Pfaffenhütchen/Spindelstrauch (Euonymus europaeus). Und hier kommt E.(M.) euonymi vor!
Erysiphe lonicerae (wie Braun vermutet) kann es nicht sein, da diese Art viel kürzere Anhängsel hat. Im Übrigen habe ich ein Bild von E. euonymi, das ich gerne für die Datenbank zur Verfügung stelle (anbei).
Gruß von Haus zu Haus, Heinz
Mit der Kenntnis des Wirtes Euonymus europaeus wäre mir die Bestimmung anhand der im Literaturverzeichnis aufgeführten Unterlagen auch gelungen, aber für den Spezialisten Heinz war es nach der Bestimmung des Wirtes natürlich ein Leichtes das Ergebnis zu erzielen, obwohl er ja auch über den anderen Weg dahin gekommen ist
Hier wird ganz klar gezeigt, daß gerade bei der Phytoparasitenbestimmung die Wirtskenntnis unverzichtbar ist.
Abschließend noch eine Anmerkung:
Im Nahbereich 15-20m standen alte, fast entlaubte Euonymus europaeus mit ihren markanten roten Früchten ( daher der Name Pfaffenhütchen ), die ich gut kannte, aber solche Triebe im Jungstadium habe ich noch nicht gesehen und deshalb auch nicht erkannt.
Erysiphe euonymi De Candolle 1815, syn. Microsphaera euonymi (De Candolle 1815) Saccardo 1882 ein sehr seltener Mehltaupilz war für mich ein Erstfund und ist gerade in der Datenbank pilzbestimmung.de inklusive des schönen Bildes von Heinz bildmäßig hinterlegt worden.
Ich hoffe Euch anhand dieses etwas ausführlich dargestellten Beispieles einmal aufgezeigt zu haben, wie unverzichtbar die Wirtskenntnis, bei einer Phytoparasiten-Bestimmung ist.
Herzliche Grüße Detlef
Literaturhinweis:
-Klenke, Friedemann: Berichte der Arbeitsgemeinschaft sächsicher Botaniker. Sammel- und Bestimmungshilfen für phytoparasitische Kleinpilze Sachsens
Verlag: Berichte der Arbeitsgemeinschaft sächsischer Botaniker Neue Folge
Band 16 - Sonderheft Institut für Botanik der Tech. Universität Dresden
ISSN: 1434-1662
-Braun, Uwe: The powdery mildews ( Erysiphales ) of Europe, Gustav Fischer Verlag, Jena,
Stuttgart, New York 1995, 338 Seiten ISBN 3-334-60994-4 ( Jena ), ISBN 1-56081-424-1 ( New York )
-Phylogeny of Erisiphe, Microsphaera, Uncinula ( Erysipheae )
and Cystotheca, Podosphaera, Sphaerotheca ( Cystotheceae ) inferred from rDNA IST sequences- some taxonomic consequences
Autor: Braun, Uwe & Takamatsu, Susumu
Kategorie: Zeitschrift
Seitenanzahl:S.1 - 33
Schlechtendalia 4 ( 2000 ), Veröffentlichungen aus dem Institut für Geobotanik und Botanischer Garten der Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg
Anmerkungen: Vollkommene Überarbeitung der Taxonomie und Nomenklatur anhand molekularbiologischer Untersuchungen