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Prolifikation bei Laccaria amethystina

Verfasst: So 20. Nov 2011, 03:30
von Gerd †
Hallo Kurt,

damit deine "Violette Blume" nicht verloren geht, zeige/kommentiere ich sie hier:

Bild

- Zuerst einmal herzlichen Dank für's Zeigen dieser untypischen Fruchtkörper, von denen insbesondere der mit dem eingerissenen Hutrand aussagekräftig ist:

(1) Die Schublade, in die wie eine derartige "Bildungsabweichung" ablegen können
---> wird "Prolifikation" genannt:
---> [1] versteht darunter eine +-exzessive Bildung von Hymenophoren (Lamellen, Stoppeln, Röhren) bei in "Hut und Stiel" gegliederten Pilzen. Er unterscheidet:

(a) "Pleurotoide Prolifikation" ---> lappig-gekräuselte Aufgliederungen des Hutrands mit zum Erbdoden zeigendem Hymenophor

(b) "Inverse Prolifikation" ---> Bildung von kleinen, stiellosen Hütchen mit senkrecht oder schräg nach oben zeigendem Hymenophor bzw. direkt aus der Huthaut ohne Hutbildung herausbrechendem Hymenophor.

(c) "Morchelloide Prolifikation" ---> der Extremfall, bei dem der gesamte, +-kugelförmig deformierte, den Stiel Stiel berührende Hut von einem gekräuseltes oder wabenartigem Hymenophor überwuchert wird.

- Auslöser für derartige Missbildungen sind "Witterungseinflüsse, genetische Defekte, Viren oder Pilzbefall".
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- Dein Beispiel kann man leicht erklären mit:

(a) leichte "inverse Prolifikation" m.E. verursacht durch "Witterungseinfluss" (Regeneration/Weiterwachsen nach vorhergehendem Wachstumsstopp)

(b) Die Risse am Hutrand würde ich (obwohl sie den Fruchtkörper besonders attraktiv machen) als nicht ungewöhnlichen, durch "Trockenheit" hervorgerufenen Witterungsschaden abhaken.
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- Übrigens kann man an dem Fruchtkörper rechts daneben in Hutmitte auch den Beginn einer "Prolifikation" erkennen.

---> "Inverse Prolifikationen" hatten wir bei anderen Arten bereits mehrfach gezeigt, z.B. HIER.


Grüße
Gerd

Literatur:
[1] (ID-05008): Michael - Hennig - Kreisel (1983): Handbuch für Pilzfreunde, Band V, S26:62; 108-124

Re: Prolifikation bei Laccaria amethystina

Verfasst: So 20. Nov 2011, 18:05
von kurtjegle
Gerd hat geschrieben:
(b) "Inverse Prolifikation" ---> Bildung von kleinen, stiellosen Hütchen mit senkrecht oder schräg nach oben zeigendem Hymenophor bzw. direkt aus der Huthaut ohne Hutbildung herausbrechendem Hymenophor.

Ist dieser etwas komplizierte Satz so zu verstehen?

Inverse (umgekehrte, in unserem Fall in die der üblichen Wachstumsrichtung entgegengesetzte Richtung)
Prolifikation (Proliferation, also Brut-,Sprossbildung, in diesem Fall Bildung von Hymenophor) durch entweder
a. Bildung von kompletten Hütchen, also mit Hut, Huthaut und Hymenophor, jedoch ohne Stiel oder
b. Bildung von direkt aus der Huthaut (des Mutter-, Trägerpilzes) ohne Hutbildung herausbrechendem Hymenophor. Dazu eine Frage: Kann sich das Hymenophor direkt aus der Huthaut bilden, braucht es dazu kein Hutfleisch?

Weiteres Zitat:
- Auslöser für derartige Missbildungen sind "Witterungseinflüsse, genetische Defekte, Viren oder Pilzbefall".
Das heisst wohl: Man hat keine Ahnung, was dafür verantwortlich ist.
Gruss
Kurt

Re: Prolifikation bei Laccaria amethystina

Verfasst: So 20. Nov 2011, 23:33
von Gerd †
Hallo Kurt,

erst einmal herzlichen Dank, dass du nachhakst und versuchst, meinen Kommentar mit anderen Worten (vermutlich nicht nur für dich verständlicher) zu beschreiben.

---> Da kommt bei mir Freude auf und ich versuche deine Deutung hoffentlich einfach/allgemeinverständlich zu kommentieren:

„Inverse (umgekehrte, in unserem Fall in die der üblichen Wachstumsrichtung entgegengesetzte Richtung) „

- Ja genau so ist es: Das „Hymenophor“ (hier die Lamellen) sind nicht (wie normal) in Richtung „Schwerkraft“ ausgerichtet, sondern zeigen in die +-entgegengesetzte Richtung (senkrecht oder schräg gestellt nach oben).
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Prolifikation (Proliferation, also Brut-,Sprossbildung, in diesem Fall Bildung von Hymenophor) durch entweder
a. Bildung von kompletten Hütchen, also mit Hut, Huthaut und Hymenophor, jedoch ohne Stiel oder
b. Bildung von direkt aus der Huthaut (des Mutter-, Trägerpilzes) ohne Hutbildung herausbrechendem Hymenophor. Dazu eine Frage: Kann sich das Hymenophor direkt aus der Huthaut bilden, braucht es dazu kein Hutfleisch?


- Auch hier ein Volltreffer:

(1) Wucherung, Sprossbildung ist nach meiner Literatur korrekt.

- Warum die Mykologen „Prolifikation“ und nicht „Proliferation“ [beachte prolifer (lat.), prolifère (frz.)] bevorzugen ist mir nicht bekannt.

(2) Deinen Fall (a), komplette Hütchen ...“ kannst du gut an am linken von mir angesprochenen Fruchtkörper beobachten.

---> Beachte dabei bitte (a) die massive Verwachsung des Hütchen mit dem „Mutterhut“, den fehlenden (sicher nicht abgerissenen) Stiel und die meist untypische Ausprägung des Hymenophors (hier leider nicht erkennbar).

(3) Auch deinen Fall (b) kannst du am Fruchtkörper rechts daneben andeutungsweise erahnen.

- Beachte bitte:
(a) Bei dieser „Missbildung“ handelt es sich m.E. um eine „unkontrollierte“ Wucherung/Sprossung des Hymenophors, bei der eine Hütchen-Bildung nicht zwangsläufig gefordert wird.
---> Hutfleisch (wenn benötigt) würde der "Mutterhut" übrigens eh im Überfluss bieten.

(b) Schau dir einmal ein Bild der Extremform (morchelloide Missbildung) an. Da wirst du nicht einmal ansatzweise eine „Hütchenbildung“ erahnen können.
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Weiteres Zitat:
- Auslöser für derartige Missbildungen sind "Witterungseinflüsse, genetische Defekte, Viren oder Pilzbefall".
Das heisst wohl: Man hat keine Ahnung, was dafür verantwortlich ist.


- NEIN; so würde ich das definitiv nicht bestätigen:

---> Im Feld (oder nur nach Bild) wird man die Ursache kaum sicher beurteilen können.

---> Aber durch Laboruntersuchungen, mehrjährige Kulturversuche/Feldbeobachtungen kann man die Ursache durchaus klären.

---> Und durch Zufall/Glück, kann sogar ein Hobbymykologe ohne aufwendige Laborausrüstung die witterungsbedingte Ursache einer extremen „Prolifikation“ belastbar erkennen.
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kurtjegle hat geschrieben:Gerd hat geschrieben:
(b) "Inverse Prolifikation" ---> Bildung von kleinen, stiellosen Hütchen mit senkrecht oder schräg nach oben zeigendem Hymenophor bzw. direkt aus der Huthaut ohne Hutbildung herausbrechendem Hymenophor.

Ist dieser etwas komplizierte Satz so zu verstehen?
- Jetzt hoffe ich, dass nicht nur du meinen „komplizierten Satz“ verstandest hast.
---> Wenn nicht, dann einfach nachhaken.

Grüße
Gerd

Re: Prolifikation bei Laccaria amethystina

Verfasst: Mo 21. Nov 2011, 16:51
von kurtjegle
Hallo Gerd

Jetzt ist alles klar. Ich konnte deine Ausführung wirklich nicht richtig verstehen, weil das Wort "bzw." (als Abkürzung für beziehungsweise) im betreffenden Kontext keinen Sinn ergibt. Es wäre nämlich in obigem Zusammenhang ein Synonym für "besser gesagt". Wenn man "bzw." durch "oder" ersetzt, ist alles klar. Es hört sich jetzt furchtbar besserwisserisch an, aber ich hatte wirklich Verständnisprobleme. Aus dem Deutschunterricht ist halt doch noch so einiges hängengeblieben.

Gruss
Kurt

Re: Prolifikation bei Laccaria amethystina

Verfasst: Mo 21. Nov 2011, 22:41
von Gerd †
Hallo Kurt,
kurtjegle hat geschrieben: Jetzt ist alles klar. Ich konnte deine Ausführung wirklich nicht richtig verstehen, weil das Wort "bzw." (als Abkürzung für beziehungsweise) im betreffenden Kontext keinen Sinn ergibt. Es wäre nämlich in obigem Zusammenhang ein Synonym für "besser gesagt". Wenn man "bzw." durch "oder" ersetzt, ist alles klar. Es hört sich jetzt furchtbar besserwisserisch an, aber ich hatte wirklich Verständnisprobleme. Aus dem Deutschunterricht ist halt doch noch so einiges hängengeblieben.
Freut mich, dass jetzt alles klar ist :su:

- Und herzlichen Dank für die Aufklärung, die mich prompt veranlasst hat im Internet nach Synonymen von "beziehungsweise" und "oder" zu suchen:

---> Voilà

- Nach dieser Quelle sind beide Ausdrücke "synonym", so wie ich es bisher auch verstanden habe.

- Aber, ich habe das "oder" bewusst nicht verwendet, da es im allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne des in der Logik definierten "EXOR" ("entweder oder") benutzt wird.

---> Und genau dies trifft hier nicht zu, da man (da gibt es eine breite Grauzone) zwischen Hymenophor "mit Hutbildung" und "ohne Hutbildung" nicht eindeutig trennen kann.


"Schlaumeiermode aus"

Grüße
Gerd

Re: Prolifikation bei Laccaria amethystina

Verfasst: Mo 28. Nov 2011, 23:25
von Gerd †
Hallo Kurt,
Gerd hat geschrieben: Weiteres Zitat von Kurt:
- Auslöser für derartige Missbildungen sind "Witterungseinflüsse, genetische Defekte, Viren oder Pilzbefall".
Das heisst wohl: Man hat keine Ahnung, was dafür verantwortlich ist.


- NEIN; so würde ich das definitiv nicht bestätigen:

---> Im Feld (oder nur nach Bild) wird man die Ursache kaum sicher beurteilen können.

---> Aber durch Laboruntersuchungen, mehrjährige Kulturversuche/Feldbeobachtungen kann man die Ursache durchaus klären.
- Ok, ich muss da nochmals nachkarteln:

(1) Ich habe mich auf eine "witterungsbedingte" Fruchtkörper-Missbildung" festgelegt und versucht dies HIER zu begründen.

- Ok, die "spekulative" Diskussion über die Ursache kann weiter gehen.

---> Aber eins ist gewiss: "Virenbefall" als einzige Ursache für eine Prolifikation ist definitiv falsch!!!

Grüße
Gerd

Re: Prolifikation bei Laccaria amethystina

Verfasst: Di 29. Nov 2011, 19:02
von rickenella
Hallo Gerd,

mit Bezug auf meine Signatur, nehme ich Deinen Beitrag kommentarlos hin, verständlicher kann man es fast nicht erklären. :su: Danke.

Grüße rickenella

Re: Prolifikation bei Laccaria amethystina

Verfasst: Di 29. Nov 2011, 20:26
von Gerd †
Hallo rickenella,
rickenella hat geschrieben: mit Bezug auf meine Signatur, nehme ich Deinen Beitrag kommentarlos hin, verständlicher kann man es fast nicht erklären. :su: Danke.
- Danke, dass du deinen Kommentar in diesem Unterforum eingestellt hast. :freu

- Aber dennoch schade, dass wir damit eine weitere Diskussion über die Ursache derartiger Missbildungen vorerst "geerdet" haben.


Grüße
Gerd
(Hobbymykologe, den zwischenzeitlich auch "Bildungsabweichungen" (untypische ausgebildete Pilzfruchtkörper) faszinieren.