Hallo Holger,
- Danke, für deine Erklärung, die ich nicht wirklich verstanden hatte. Besonders irritiert hat mich deine Anmerkung "Der Stiel vom größeren hat schnell an Umfang gewonnen und dann
Druck von unten auf den Stiel des kleineren ausgeübt, daraufhin hat der sich immer weiter nach außen und oben "geschoben", weil auch auf dem Hut die Spannung zunahm."
- Ich habe mir das Bild auch nochmals genauer angeschaut und eine m.E. (vermutlich durch dich inspirierte

) sehr plausible Erklärung zu meiner Bemerkung
Gerd hat geschrieben:
(3) Da gibt es nur noch ein kleines Problem zu lösen, dass ich nicht beurteilen kann.
- Warum hat sich der rechte Teil des Fruchtkörpers schräg nach oben ausgerichtet???
gefunden.
- Tja, eigentlich wollte ich "ursprünglich" deine Erklärung als unwahrscheinlich bewerten. Aber, wenn ich mir jetzt (im Nachhinein) deinen Erklärungsversuch erneut anschaue und deine o. g. mich irritierende Aussage ändere in "Der Stiel vom größeren hat schnell an Umfang gewonnen und dann
einen seitlichen Druck von unten auf den Stiel des kleineren ausgeübt, ..."
---> dann hast du

den Grund für das "Schrägstellen des Huts des großen Fruchtkörpers genau so wie ich eingeschätzt. Hier nochmals das Bild:
Ok, ich bewerte jetzt mit meinen Worten diese Bildungsabweichung noch abschließend vollständig:
(1) Gezeigt wird eine „Verwachsung mehrerer Fruchtkörper“ (Pseudofasciation) bei der zwei „Primordien“ (Fruchtkörperanlagen) beteiligt sind.
Zur Erinnerung:
- Das Myzel wächst verzweigt, watteähnlich locker verflochten im Substrat. Die Fruchtkörperentwicklung kann man sich (vergleiche [1]) etwa wie folgt vorstellen:
(a)
"Primordialer Zustand"
- In dieser Phase werden eine Vielzahl von "Initialknötchen", das sind +- kugelige "Myzelverdichtungen" (
<100µm), gebildet.
(b)
"Differenzierungsphase"
- Die "Initialknötchen" werden hier zu noch sterilen aber bereits in Hut und Stiel gegliederte "Fruchtkörperanlagen" (Größe
ca. 1mm) ausdifferenziert. Diese Phase schließt, sofern erforderlich auch die Ausbildung einer Gesamthülle (Velum universale) ein.
(c)
"Ansatz der fertilen Strukturen"
- In diesem Schritt wird das Hymenophor (evtl. auch die Basidienanlagen !?) ausdifferenziert. Die Fruchtkörpergröße liegt bei
ca. 5mm.
---> Mit dieser Phase ist die „Primordien“-Entwicklung abgeschlossen.
(d)
„Steckungsphase“ (Fruktifikation bis zur Sporenreife)
- Die Initialisierungs-Bedingungen zur Entwicklung eines Fruchtkörpers sind meist nur unvollständig bekannt.
- Der Fruchtkörper wird aber vorrangig durch Wasseraufnahme vergrößert und erfolgt in Stufen.
---> Und ganz wichtig: Nur aus einem geringer Anteil der "Primordien" entwickeln sich Fruchtkörper.
(1) Zuerst wird vorrangig der Stiel „gestreckt“ und der Hut deutlich schwächer vergrößert.
---> Meine persönliche Begründung: Der Hut wird dadurch in eine für den Sporenabwurf günstige Höhe angehoben und das Hymenophor (Lamellen, Röhren, Stacheln, Leisten) mit seinem „Hymenium“ (sporenerzeugende „fertilen Zellen“, in diesem Beispiel „Basidien“) bleiben so lange wie möglich (teilweise durch zusätzliche Ausbildung einer Teilhülle = Velum partiale) geschützt.
---> Gut zu beobachten bei „Riesenschirmlingen“ (Gattungen Macrolepiota bzw. Chlorophyllum), aber auch an jungen Fruchtkörpern anderer Gattungen, die anfangs häufig eine „kugelige, halbkugelige, eiförmige etc.“ Form mit sich eng an den Stiel anschmiegenden Hutrand haben.
(2) Dann erst erfolgt das vollständige „Aufschirmen“ des Hutes.
---> Und noch eine kleine Zusatzanmerkung:
- Massive Verwachsungen (Hut, Stiel, Hut &Stiel) treten nur auf, wenn sich Teile der „Primordien“ oder „Fruchtkörper“ in der recht „frühen Streckungsphase“ berühren.
---> Wichtig ist noch:
- Im „Normalfall“ entwickeln sich bei zwei räumlich sehr nahe beieinander stehenden „Primordien“ nicht beide +-synchron.
---> Denn genau dann kommt es zu „Fruchtkörper-Verwachsungen“, wie wir sie bereits in einer großer Bandbreite gezeigt haben !!!
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Doch nun zu meiner Einschätzung, wie die von dir gezeigte Missbildung für mich plausibel erklärt werden kann:
(1) Beteiligt sind zwei „Primordien“, die extrem massiv (nur am Hut, man sieht es an den gefuchten Verwachsungskanten!!!) miteinander verwachsen waren und eine +- synchrone Fruchtkörperentwicklung gestartet haben.
(2) Der große (links) war „schneller“ und hat den „kleinen“ Fruchtkörper frühzeitig vom Substat getrennt und seine Weiterentwicklung gestoppt.
(3) In der „Stielstreckungs-/Stielverdickungsphasephase“ wurde auf den Stiel des „Kleinen“ ein seitlicher/horizentaler Druck ausgeübt, der (da der Stiel nicht abgebrochen ist) das Querstellen des „Stiels“ (des Kleineren) und das Anheben des „Huts“ (des größeren) wegen der massiven Hutverwachsung beider Fruchtkörper m.E. nachvollziehbar erklärt.
(4) und die von dir zitierten "Risse" (nicht "Furchen/Trennlinien") bewerte ich auch als "Spannungsrisse/Sollbruchstellen".
Literartur:
[1] Dörfelt H.; G. Jetschke (2001): Wörterbuch der Mycologie; Spektrum Akademischer Verlag
Grüße
Gerd