böse Überraschung im Weihnachtsessen

hier kann alles gepostet werden was mit Pilzen zu tun hat. Forumsstart - 22.12.2004

Moderator: Harry

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Harry
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böse Überraschung im Weihnachtsessen

Ungelesener Beitrag von Harry »

Hallo zusammen,

ein gutes Stück Fleisch in einer delikaten Morchelrahmsoße gehört für nicht wenige Mitbürger einfach zu einem Weihnachtessen dazu. Eine böse Überraschung erlebte eine Familie aus einer kleinen saarländischen Stadt an Heiligabend. Wärend des Essens entdeckte ein Familienmitglied einen Pilz der so gar nicht zu den vermeintlichen Morcheln passte. Am ersten Weihnachtsfeiertag wurde mir der Pilz vorgelegt und ich konnte die Vermutung der Frau bestätigen. Bei dem Pilz handelte es sich um:

Gyromitra esculenta - Frühjahrsgiftlorchel ( von Rahmsoße befreit und fotografiert. ) :D

Bild

Die getrockneten Pilze wurden im Internet bestellt. Die Ware wurde ohne Etikett, einfach in einer verschlossenen Plastiktüte geliefert. Mal ganz abgesehen von der Verletzung der Etikettierpflicht, gehört eine Giftlorchel nicht unter die Spitzmorcheln, auch dann nicht wenn von einer getrockneten und geschmorten G. esculenta keine Gefahr ausgeht.

Gruß
Harry
Dass man immer noch lernen kann ist herrlich, und auch dass man andere dazu braucht.
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JORGE
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Re: böse Überraschung im Weihnachtsessen

Ungelesener Beitrag von JORGE »

Hallo Harry,

Wahnsinn.

Aber auch in unserer Gegend wurde in einem Lebensmittelgeschäft getrocknete Frühjahrslorcheln entdeckt.


Aber, ich dachte, daß selbst bei getrockneten Frühjahrslorcheln immer noch ein Restrisiko einer Vergiftung bestehen kann.

VG Jorge
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rickenella
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Re: böse Überraschung im Weihnachtsessen

Ungelesener Beitrag von rickenella »

Hallo,

es ist ein Scandal. :un:
Gibt es denn keine Bestimmungen, welche Arten als sogenannte Industriepilze verwendet werden dürfen und wenn, wer kontrolliert dann deren Einhaltung ?

Ich finde, Frau I. Eigner als Verbraucherministerin hat ihren "Negativpreis" mehr als zu Recht bekommen.


VG Peter
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JORGE
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Re: böse Überraschung im Weihnachtsessen

Ungelesener Beitrag von JORGE »

Hallo Peter,

nein, es gibt in Deutschland keine Bestimmung welche Markt, Lebensmittelgeschäfte und Restaurants bezuglich der Speisepilze unter Kontrolle stellt. Vergleiche den Krimi von Karin Montag Tödliche Pilze. Es gibt lediglich das Verbot des Inverkehrbringens von Giftpilzen durch den Handel (vgl. Lenensmittel-Gesetze und -Verordnungen), das Betäubungsmittelgesetz und das Strafgesetzbuch.

Eine freiwillige Kontrolle seitens der Gastronomie und des Handels ist äußerst selten anzutreffen.

Vg Jorge
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rickenella
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Re: böse Überraschung im Weihnachtsessen

Ungelesener Beitrag von rickenella »

JORGE hat geschrieben:Hallo Peter,

nein, es gibt in Deutschland keine Bestimmung welche Markt, Lebensmittelgeschäfte und Restaurants bezuglich der Speisepilze unter Kontrolle stellt. Vergleiche den Krimi von Karin Montag Tödliche Pilze. Es gibt lediglich das Verbot des Inverkehrbringens von Giftpilzen durch den Handel (vgl. Lenensmittel-Gesetze und -Verordnungen), das Betäubungsmittelgesetz und das Strafgesetzbuch.

Eine freiwillige Kontrolle seitens der Gastronomie und des Handels ist äußerst selten anzutreffen.

Vg Jorge

Hallo Jorge,

wie ich schon vorab bemerkte - ein Scandal.
Im Falle des GAU - also bei einer Lebensmittelvergiftung mit letalem Ausgang eine Beweisführung anzutreten, die juristisch zu einer Verurteilung und zum Schadenersatz führt, ist doch unter den gegebenen Voraussetzungen gar nicht möglich.

VG Peter
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Gerd †
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Re: böse Überraschung im Weihnachtsessen

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Jorge,
JORGE hat geschrieben: Aber, ich dachte, daß selbst bei getrockneten Frühjahrslorcheln immer noch ein Restrisiko einer Vergiftung bestehen kann.
- Das Gift ("Gyromitrin") der "Früjahrs-Lorchel" (Gyromitra esculenta) ist (1) "temperaturlabil" und verflüchtigt bereits bei "Zimmertemperatur". Zusätzlich ist das Toxin auch noch (2) "wasserlöslich" und verdampft (verm. nicht vollständig) beim Trocknen.

- Wenn ich das richtig in Erinnerung habe:

---> Bei getrockneten und >=6 Monate bei Zimmertemperatur (beachte ---> Eigenschaft (1)) gelagerten "Frühjahrs-Lorcheln" besteht kein Restrisiko einer Vergiftung mehr.

Grüße
Gerd
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
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JORGE
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Re: böse Überraschung im Weihnachtsessen

Ungelesener Beitrag von JORGE »

Gerd hat geschrieben:
---> Bei getrockneten und >=6 Monate bei Zimmertemperatur (beachte ---> Eigenschaft (1)) gelagerten "Frühjahrs-Lorcheln" besteht kein Restrisiko einer Vergiftung mehr.
Hallo Gerd,

ich stehe seit einiger Zeit in Kontakt mit us-amerikanischen Pilzern, die die Frühjahrslorchel seit Jahren verzehren. Sie bescheinigen diesen Pilz einen noch weitaus besseren Geschmack als den Morcheln. Ich hatte dieses Jahr mich mit dem Gedanken getragen diesen Genuß zu testen, habe aber jedoch (nach eigener Recherche) wegen meiner weiterhin bestehenden Skepsis bezüglich der 100% Entgiftungsmöglichkeit davon abgesehen.

Ich bin davon überzeugt, daß kein PSV diesen Pilz auch nach eingehender Behandlung freigenen wird, würde ich auch nicht machen. Vielleicht liegt ja das Restrisiko auch in der vollständigen Durchführung der "Entgiftung" und nicht in der theoretisch durchführbaren.

Bislang hatte ich das Glück mich noch nie an Pilzen zu vergiften, ich verkoste z.Z. recht viele Arten, und das soll auch so bleiben, toi, toi, toi.

VG Jorge
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caro
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Re: böse Überraschung im Weihnachtsessen

Ungelesener Beitrag von caro »

Hallo liebe Pilzler,
das ist ja echt ein Ding. :un:
Da möchte man sein Essen genießen und findet Giftpilze darin.
Ich bin da echt überrascht, dass es keine Kontrollen in Restaurants gibt. Da kann man sich ja denn nie sicher sein,
ob in einer leckeren Waldpilzsauce doch mal ein getrockneter Giftpilz mit bei ist.
Unglaublich, das hat mich echt aufgeschreckt,
wie gut dass ich selber sammel und im Restaurant dann lieber eteas esse, wo ich sonst nicht so schnell "rankomme"!
LG und einen guten Rutsch
Caro

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Re: böse Überraschung im Weihnachtsessen

Ungelesener Beitrag von Hexenopa »

Hallo Harry,

ich hatte den Artikel von Dir schon gelesen...und heute hatte sich mit Silvia (Sammlerherz) dazu via FB ein Gespräch ergeben, aus dessen Ergebnis mein Beitrag bei schwammer.de beruht.
http://www.customcostumes.de/schwammer/ ... 2#pid25942

Ich glaube nicht, das es sich um den gleichen Händler wie bei den Morcheln handelt, das wäre reiner Zufall, denn bei Ebay tummeln sich einige "Pilzhändler"...natürlich alles
Privatverkauf, keine Rücknahme, keine Garantie. :un:

Oh man, ich dachte dazu benötigte man immer noch einen Sachkundenachweis.

VG Julius
Meine Leidenschaft für Pilze verdanke ich Barbara...
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Re: böse Überraschung im Weihnachtsessen

Ungelesener Beitrag von weisheit »

Einen Neujahresgruß an alle im Forum

Zu dieser Thematik kann ich diese Adresse beisteuern. Im Tintling vom 15.August 2012 ist ein interessanter Beitrag einer Pilzsachverständigen zur Frühjahrslorchel

http://www.lebensmittelwarnung.de/bvl-l ... il17/11982

Viele Grüße
Veronika Weisheit-Pilzberaterin Landkreis Rostock
Meine Bestimmungen zu Pilzen in diesem Forum sind keine Einladung, diese zu verspeisen.
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Gerd †
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Re: böse Überraschung im Weihnachtsessen

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo zusammen,

(1) Es ist sicher richtig und vernünftig "Gyromitra esculenta" (Frühjahrs-Lorchel) zwischenzeitlich (vorsorglich!!!) nicht mehr zum Verzehr freizugeben.

---> Denn bereits in älterer Literatur findet man Hinweise wie "Kochwasser wegschütten (klar:Das Gift ist wasserlöslich), max. eine Mahlzeit/Tag (klar: Reste des thermolabilen, wasserlöslichen Gifts werden durch derart kurzfristige Erhitzug nicht vollständig beseitigt), Todesfälle".

(2) Erstaunlich ist, dass ich Jahre nachdem diese Art in der BRD gebannt wurde, in der Schweiz "getrocknete Frühjahr-Lorchel" im Regal fand.

---> Bin jetzt zu faul zu prüfen, in welchen Ländern diese Art auch Heute noch als "Marktpilz" (also nicht getrocknet und deshalb keineswegs harmlos) gehandelt wird.

(3) Eine als getrocknete "Spitzmorchel" gekennzeichnete Ware darf m.E. allerdings keinesfalls eine andere Art enthalten und sollte entsprechend geahndet werden.

---> Aber, die hier vorgestellte Hysterie wegen einer "Frühjahrslorchel" (beachte die Eigenschaften des Giftes) in einer "getrockneten Spitzmorchel-Packung" halte ich schlicht für übertrieben. Und sogar dann, wenn der Fruchtkörper (für mich unverständlich nicht zerlegt wurde) und von einem Erwachsenem ((Klein-)Kindern würde ich eh keine Pilze zumuten!!!) verspeist wurde.

Grüße
Gerd
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
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Gerd †
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Re: böse Überraschung im Weihnachtsessen

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo zusammen,
Gerd hat geschrieben:Hallo zusammen,
---> Bin jetzt zu faul zu prüfen, in welchen Ländern diese Art auch Heute noch als "Marktpilz" (also nicht getrocknet und deshalb keineswegs harmlos) gehandelt wird.
- Na ja: Ich habe meine Meinung geändert und doch recherchiert und zitiere jetzt einen Beitrag des allgemein bekannten und anerkanntem Pilztoxikologen R. FLAMMER:

(1) Diese Art wird auch heute noch in Finnland als Marktpilz (der Verkäufer muss jetzt über die Zubereitung aufklären) gehandelt.

(2) Und wenn jemand ein Problem mit den in der Literatur erwähnten "Krebs errregendes Sustanzen hat) empfehle ich den letzten Satz von FLAMMER "Ich würde es begrüssen, wenn ich die Trockenlorcheln wieder in mein kulinarisches Inventar aufnehmen könnte" zu lesen.

(3) Ich kann das gut nachvollziehen, da es sich nach meinem Verständnis um ein Abbauprodukt von Gyromitrin handelt.
---> Doch da in Trockenpilzen (bei ausreichend langer Lagerung) Gyromrtrin +-eliminiert wurde, kann man auch das Abbauprodukt (evtl. krebserregend!?) schlicht vergessen.

Grüße
Gerd
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
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