Hallo Harry
Harry hat geschrieben:Hallo Pilzfreunde,
rotmilchende Lactariusarten werden mehr als andere von parasitären Kernpilzen der Gattung Hypomyces befallen. Die Lamellen werden durch diesen Befall zurückgebildet oder gänzlich durch einen grauen bis gelblichen Belag ersetzt.
- Danke, wunderschöne Aufnahmen einer Missbildung, deren Ausprägung und „parasitischer“ Pilzbefall als Ursache du bereits beschrieben hast.
- Eigentlich könnte ich diese Missbildung schon fast abhaken, ABER:
---> Ich fand in meiner Literatur zwei Gattungen (
Peckiella bzw. Hypomyces); beides Perithezien bildende, parasitische Ascomyceten --->
Pyrenomycetes (Kernpilze)), die als Ursache für eine derartige Missbildung verantwortlich sind.
---> Nach längerer Recherche scheint mir der Fall geklärt zu sein: Der aktuelle Name der Gattung (--->
„Index Fungorum“ ist
Hypomyces und
Peckiella ist ein Synonym.
Und [10] bestätigt das auch.
--> Aber, wie so oft sind sich die Autoren zusätzlich nicht darüber einig, welche Pilzart (
H. lateritius oder
H. deformans) deinen Fund befallen hat. Einen Hinweis über Synonymität beider Arten habe ich allerdings in [7] gefunden.
---> So nebenbei, [8] listet keine
P. deformans, wohl aber
H. deformans. Und [5], [6] führen den Pilzparasiten unter
P. deformans.
---> Da habe ich mich von [5] "verunsichern lassen". denn nach [10] ist "deformans" ein Synonym von "lateritius"
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Wieder einmal ein Beispiel dafür, bei dem das "Befallsbild inkl. bekanntem Wirt" m.E. auch makroskopisch sehr eindeutig ist, aber vor lauter "Umkombinierungen, Lumpen, Spitten und Startpunktänderungen" ein Chaos bezüglich "aktuellem wissenschaftlichem Namen" entstanden ist, das ein "Hobbymykologe (wie ich) kaum entziffern kann.
- Ich fasse einmal nach Auswertung der von mir eingesehenen Literatur zusammen, wie dieser "Kernpilz" aktuell zu benennen ist:
Hypomyces lateritius (Fries: Fries) Tulasne (Steinreizker-Kernpilz)
Synonyme:
Byssonectria lateritia (Fr.) Petch, N. Amer. Fl. (New York) 7: 220 (1963)
Hypomyces deformans (Lagger) Sacc.
Hypocrea floccosa Fr., in Berkeley
Peckiella deformans (Fr.) R. Maire
Peckiella lateritia (Fr.) Maire, Annls mycol. 4: 331 (1906)
Sphaeria lateritia Kunze, Mykologische Hefte (Leipzig) 2: 42 (1823)
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- Der deutsche Name "Steinreizker-Kernpilz" gefällt mir, auch wenn ich nicht alle in [2] gelistete H. spp. überprüft habe, ob die evtl. auch auf "rotmilchenden Milchlingen (Lactarius spp., Sektion Dapetes)" beobachtet wurden
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Und jetzt noch ein paar allgemeine Hintergrundinformationen:
---> Diese Art der Missbildung wird von [1] in die Schublade
„5. Abweichende Hymenophore“ abgelegt., in der eine Palette von Beispielen für untypische Hymenophor-Ausprägungen angesprochen werden:
(1)
Unterdrückung des Hymenophors durch parasitische Pilze
- Anstelle von Lamellen ist die Hutunterseite +-glatt bis leicht radial gefurcht und dicht mit Perithezien des parasitischen Pilzes besetzt, die einem ziemlich harten
Filzlager (Subikulum) aufsitzen. ---> Daher der Name
„Steinreizker“.
- Eine durch parasitäre Pilze (Gattung
Hypomyces ---> [1](dort noch unter Peckiella), [2], unter Hypomyces) hervorgerufene Unterdrückung des Hymenophors findet man bei einigen Lactarius- und Russula-Arten, aber auch bei Agaricales. Nachfolgend bringe ich eine kleine Auswahl an Hymenophorparasiten und der Wirte, die von ihnen befallen werden:
Hypomyces viridis (= luteovirens) mit grünem Subikulum
---> bevorzugt auf div. Russula spp., aber auch auf Lactarius pyrogalus, L. torminosus, L. turpis und Clytocybe alexandi.
Anmerkung: [1], [2] benutzen das Epithet luteovirens, [9]viridis.
Hypomyces lateritius ( = Peckiella lateritia = H. deformans !!!?) mit blass ziegelrotem Subikulum
---> häufiger an „rotmilchenden“ Lactarius spp. (Sektion Dapetes), aber auch an L. camphoratus, L. chelidonium, L. controversus, L. porninsis, L. rufus, L. thejogalus, L. torminosus, L. trivialis, L. uvidus, L. vellereus.
Hypomyces torminosus mit gelblichem Subikulum
---> bekannt für Lactarius pubescens, L. resimus, und L. torminosus
Hypomyces lactifluorum (mit ähnlicher Bildungsabweichung wie vorhergehende Art)
---> z.B. Lactarius pargamenus, aber auch weitere Lactarius spp., Russula spp., indet. Agaricales.
===> Und weitere
Hypomyces spp. (Abbildungen, makroskopische/mikroskopische Beschreibungen und Wirte) findet man in [2]
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(2)
Abweichende Hymenophore, die nicht durch Pilzbefall hevorgerufen werden.
- Die Ausprägung des Hymenophors ist im allgemeinen ziemlich konstant. Und doch wurden Abweichungen beobachten, die teils ungeklärt sind oder noch in der Variabilität der Pilzart liegen.
(2.1)
Innerhalb der Variationsbreite liegende Abweichungen
-Porlinge zeigen oft eine erhebliche Variationsbreite, die man kaum als Missbildung bezeichnen kann, auch wenn diese Variationsbreite oft nicht voll in der Literatur beschrieben wird:
---> Beispiele dafür sind
Gloeophyllum sepiarium (Zaunblättling), Daedalea quercina (Eichenwirrling), Daedaleopsis confragosa (Rötende Tramete), Cerrena unicolor (Aschgrauer Porling).
Anmerkung: Ein Beispiel vom
Eichenwirrling mit "zähnchenartig gespaltetem" Hymenophor hat "Sabine (Mygologicus)" gezeigt.
- Bei Blätterpilze kommen gelegentlich Gabelungen oder Anastomosen an Arten vor, die diese Merkmale in der Regel nicht haben.
(2.3)
„spektakuläre“ Hymenophor-Abweichungen („cyclomycoide“ bzw. polyporoide“ Form) , die vermutlich durch Mutation hervorgerufen werden:
- Konzentrisch angeordete Lamellen („
cyclomycoide Form“) bei
Rhodocollybia maculata (Gefleckter Rübling) und der US-Art
Coltrecia montagnei, nach IMAZERI eine Var. der in Europa vorkommenden
Coltricia montagnei.
- Deutliche Röhren-Ausbildung („
polyporoide Form“), mehrfach beobachtet bei Agaricus campestris (Wiesenchampignon).
(2.4)
Wachstumsstörung durch mechanische Beschädigung
- Etwas verblüffend ist auch ein Exemplar von
Daedalea quercina (Eichenwirrling), in der Sammlung von H. KREISEL hinterlegt, das an der Unterseite
zwei verschiedenartig ausgeprägte Hymenophore zeigt.
---> Verantwortlich für diese Wachstumsstörung ist eine mechanische Beschädigung (Bruch) des Fruchtkörpers, der anfangs labyrinthische Poren ausbildete, sich nach dem Bruch regenerierte und dabei ein porenförmiges Hymenophor bildete.
Anmerkung:
- Eine durch mechanische Beschädigung ausgelöste „Wachstumsstörung“ habe ich bereits als
„Parasol mit Doppelstiel“ vorgestellt.
Grüße
Gerd
[1] (ID-05008): Michael - Hennig - Kreisel (1983): Handbuch für Pilzfreunde, Band V, S26:62
[2]
Hypomyces Homepage
[3]
Hypomyces Genus Hypomyces; MushroomExpert
[4]
Pyrenomycetes
[5]
Pilzverein München
[6] R.M Dähncke (2001): 1200 Pilze, Lizenzausgabe Weltbild
[7]
Arbeitsgemeinschaft Pilzkunde Vulkaneifel
[8]
Index Fungorum
[9] J. Breitenbach & F. Kränzlin (1981): Pilze der Schweiz Band 1; Mykologia Luzern
[10]
SynopWin , "Online"-Kartierungsprogramm der DGfM
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Nachtrag: 23:40Uhr:
- Schlage vor, die "den Speisewert des Steinreizkers"
HIER zu diskutieren.
Dazu habe ich bei der Recherche zu diesem Beitrag doch glatt auch etwas gefunden.
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2. Nachtrag: 20.03.2009; 03:45Uhr
- Da habe ich doch glatt noch etwas gefunden und in blauer Schrift in den Beitrag eingefügt.