Drillinge

Missbildungen und Mutationen an Pilzen können hier vorgestellt werden - Forumsstart 14.03.2009
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resavac71
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Drillinge

Ungelesener Beitrag von resavac71 »

Hallo,

Dieses Foto ist schon einige Jahre alt, leider nicht besonders scharf.

Ich zeige hier ein Xerocomus spec. "Dreifach-Fruchtkörper" Stiel + Hut zusammengewachsen.

Bild


PS.:
@ Gerd.
Das Original Foto schicke Ich dir auf email adresse.

VG Zarko.
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Harry
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Re: Drillinge

Ungelesener Beitrag von Harry »

Hallo Zarko,

das ist mir auch noch nicht untergekommen, aus einem Stiel werden drei und die drei Hüte sind auch noch zusammengewachsen.
Irre, danke fürs zeigen.

:su:

Gruß Harry
Dass man immer noch lernen kann ist herrlich, und auch dass man andere dazu braucht.
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Gerd †
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Re: Drillinge

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Zarko,

zuerst einmal herzlichen Dank für das Einstellen dieses Bildes und deine Email (ist angekommen) mit dem Originalbild.
resavac71 hat geschrieben: Ich zeige hier ein Xerocomus spec. "Dreifach-Fruchtkörper" Stiel + Hut zusammengewachsen.

Bild
- Herrlich, denn "verwachsene Drillinge" (oder gar "verwachsene Vierlinge" ...) sind natürlich deutlich seltener als "verwachsene Zwillinge".

- Ursache und typische Ausprägung von "Verwachsungen", als "Pseudofasciation" bezeichnet, kann man nach [1] wie folgt zusammenfassen:

(1) Die Ursache für Verwachsungen kann leicht durch „+-synchrone Weiterentwicklung nahe benachbarter, Fruchtkörperanlagen (Initialknötchen, Primordien) der gleichen Art“ erklärt werden, von denen sich im "Normalfall" nur eine der Fruchtkörperanlagen entwickelt. Bei der "synchronen" Weiterentwicklung von zwei benachbarter Primordien, die in der Regel bereits am Stiel miteinander verwachsen sind, kommt es zur Bildung von "Doppel-Fruchtkörpern". Und analog dazu bei 3 Primordien zu "Drillings"-Bildungen, bei 4 Primordien zu "Vierlings"-Bildungen etc.

(2) Charakteristisch für diese Missbildung sind +- drehrunde, im unteren Stielteil verwachsene Stiele, die im Verwachsungsbereich eine typische beiderseitige Längsfurchung aufweisen. Oberhalb der Verwachsungsstelle krümmen sich die Stiele seitwärts nach außen und bilden meist nicht verwachsene Hüte aus. Typisch ist auch, dass die Hüte etwa gleich groß sind und in etwa der gleichen Ebene liegen.

(3) Derartige Verwachsungen wurde bisher bei Trichterlingen (Clitocybe), Rotfuß-Röhrling (Xerocomus chrysenteron), und auch Lorcheln, Morcheln, Verpeln, Stinkmorchel beobachtet.
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- Nun, bei der von dir vorgestellten "Missbildung sind auch noch Teile der Hüte miteinander verwachsen. Ich kann hier allerdings aus folgenden Gründen keine prinzipiell unterschiedliche Ursache erkennen:

(1) Das Myzel wächst vezweigt, watteähnlich locker verflochten im Substrat. Die Fruchtkörperentwicklung bei "Boletales (Röhrlingsartigen), Agaricales (Blätterpilzen) kann man sich (vergleiche [2]) etwa wie folgt vorstellen.

(a) "Primordialer Zustand"
- In dieser Phase werden eine Vielzahl von "Initialknötchen", das sind +- kugelige "Myzelverdichtungen" (<100µm), gebildet.

(b) "Differenzierungsphase"
- Die "Initialknötchen" werden hier zu noch sterilen aber bereits in Hut und Stiel gegliederte "Fruchtkörperanlagen" (Größe ca. 1mm) ausdifferenziert. Diese Phase schließt, sofern erforderlich auch die Ausbildung einer Gesamthülle (Velum universale) ein.

(c) "Ansatz der fertilen Strukturen"
- In diesem Schritt wird das Hymenophor (evtl. auch die Basidienanlagen !?) ausdifferenziert. Die Fruchtkörpergröße liegt bei ca. 5mm.

(d) Fruktifikation bis zur Sporenreife
- Der Fruchtkörper wird vorrangig durch Wasseraufnahme vergrößert, in den Basidien kommt es zu einer Kernverschmelzung mit anschließender Reduktionsteilung, Ausbildung von Sterigmen, Sporenbildun und Sporenabwurf.
- Die Initialisierungs-Bedingungen zur Fruktifikation sind meist nicht eindeutig bekannt.


(2) Man kann sich nun leicht vorstellen, dass sich inbesondere in der Phase (b) (evtl. auch noch zu Beginn der Phase (c)) die Stiele, Hüte oder gar Hüte und Stiele der "Fruchtkörperanlagen" berühren und miteinander verwachsen und diese Verwachsungen in der weiteren Steckungsphase nicht rückgängig gemacht werden.

(3) Auffällig ist, dass nach den Bildern, die ich bisher gesehen habe, Doppel-, Dreifach-Fruchtkörper und auch Hutverwachsungen insbesondere bei "Boletales" vorkommen und ich in der Literatur keine Hinweise gefunden habe, die über derartige Verwachsungen bei Arten mit "Velum universale" berichten.
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Und abschließend noch eine Anmerkung:

- Auffällig und besonders faszinierend bei deiner "Bildungsabweichung" sind:
(a) Die Hüte sind nicht gleich groß.
(b) Die "Drillinge" scheinen einen gemeinsamen Stiel zu besitzen und verzweigen dann "korallenartig".

Über den Grund dieser Ausprägung kann ich nur "spekulieren" und stelle dazu folgende Möglichkeit zur Diskussion:

- Der "Initialknoten", Phase (a), des mittleren Fruchtkörpers liegt etwas tiefer unter den der beiden anderen Fruchtkörpern und hat sich zeitlich etwas früher ausdifferenziert. Und deshalb kam es zu Verwachsungen der Hüte und Verwachsungen der Stiele (rechter und linker Fruchtkörper) leicht oberhalb der Stielbasis des mittleren Fruchtkörpers.
---> Bei der zwar +- synchronen Streckung der 3 Fruchtkörper wurden der rechte und linke Fruchtkörper von ihrem Myzel getrennt und das Wachstum gestoppt oder wenigsten deutlich reduziert, da die Energiezufuhr nach der Myzeltrennung nur noch über den mittleren Fruchtkörper erfolgen konnte.


Beste Grüße
Gerd

[1] (ID-05008): Michael - Hennig - Kreisel (1983): Handbuch für Pilzfreunde, Band V, S26:62; Abb. S. 108-124

[2] H. Dörfelt/G. Jetschke (): Wörterbuch der Mycologie: S. 118ff.; Spektrum Akademischer Verlag
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
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