Liebe Phytoparasitenfans,
Gestern fand ich in einer Pfeifengraswiese hunderte Blütenköpfe der Niedrigen Schwarzwurzel (Scorzonera humilis L.) die mit dem Phytoparasiten Microbotryum scorzonerae (Albertini & Schweinitz) G. Deml & Prillinger 1991 [Synonym: Ustilago scorzonerae (Albertini & Schweinitz) Schröter, 1887] infiziert waren.
Systematisch gehört der Pilz weder zu den Brandpilzen (Unterabteilung Ustilaginomycotina, Echte Brandpilze), noch zu den Rostpilzen (Unterabteilung: Pucciniomycotina, Klasse: Pucciniomycetes, Ordnung Pucciniales), sondern bildet innerhalb der Unterabteilung Pucciniomycotina eine eigene Klasse Microbotryomycetes und ist damit näher mit den Rostpilzen als mit den Echten Brandpilzen verwandt (vgl. Bauer et al. 1997, 1998). Dies ergaben Untersuchungen an „klassischen“ Brandpilzen u.a. an der 5S rRNA, Eisentransportverbindungen und Zellwandkohlenhydraten. Sie zeigten, dass Brandpilze zwar Basidiomyceten sind, jedoch nicht monophyletisch sind, also keine gemeinsame Stammform besitzen. Das „Brandpilzsyndrom“ entstand somit zweimal (also paraphyletisch) in der Evolution der Basidiomyceten, nämlich sowohl in der Unterabteilung Ustilaginomycotina, als auch in der Unterabteilung Pucciniomycotina. Der Begriff „Brandpilz“ wird im heutigen Sinne daher nicht mehr als taxonomischer Begriff verwendet, sondern bezeichnet nur noch einen Organisationstyp und einen bestimmten Lebensstrategietyp, wie dies z.B. auch bei den Flechten (Lichenes) der Fall ist.
Die aktuelle systematische Stellung stellt sich somit folgendermaßen dar (vgl. Bauer et al. 2006):
Abteilung: Basidiomycota (Ständerpilze)
Unterabteilung: Pucciniomycotina
Klasse: Microbotryomycetes
Ordnung: Microbotryales
Familie: Microbotryaceae
Gattung: Microbotryum
Doch nun zur Beschreibung von Microbotryum scorzonerae. Ich zitiere aus Scholz & Scholz (1988: 511): „Sori in den Blütenköpfen, in denen sämtliche Einzelblüten völlig zerstört werden. Die befallenen Blütenköpfe fallen durch frühzeitige Entwicklungshemmung und ein gedunsenes Aussehen auf; ihre Stiele sind übernormal verlängert. Sporenpuder dunkelschwarzviolett. Pilz systemisch. Sporen kugelig bis ellipsoidisch, 9-12 µm im Durchmesser, bis 17 µm lang; Sporenwand braunviolett, oft auf einer Sporenseite in einem mehr oder weniger begrenzten Gebiet heller (fast hyalin), mit schmalen, 1-1,5 µm hohen Leisten, die 1-1,5 µm weite Maschenfelder umschließen (im SEM mit wenigen Warzen innerhalb des Maschenfeldes und an den Basen der Leisten).“
Microbotryum scorzonerae ist europaweit von der planaren bis in die montane Stufe verbreitet. Weitere Wirte in Europa: Scorzonera aristata DC., cana (C. A. Meyer) O. Hoffm., S. hispanica L., S. purpurea L., S. rosea Waldst. & Kit. Weitere Vorkommen z. B. im Iran auf Scorzonera caliculata Boiss. (siehe Vánky & Abassi 2013), in China auf Scorzonera albicaulis Bunge (siehe Liu et al. 2009)
Funddaten: D, Bayern, Oberpfälzer Wald, Landkreis Schwandorf, Östlich Winklarn, nördöstlich des Brecherweiher in einer Pfeifengraswiese, TK 6540/424, ca. 485 m ü. NN, 04.05.2015
Viel Erfolg bei der Nachsuche!
Literatur:
Bauer, R.; Oberwinkler F.; Vánky K. (1997): Ultrastructural markers and systematics in smut fungi and allied taxa. Canadian Journal of Botany 75 (8): 1273-1314.
Bauer, R.; Begerow, D.; Oberwinkler F. (1998): Fortschritte in der Systematik der Brandpilze. Zeitschr. f. Pflanzenkrankheiten u. Pflanzenschutz 105 (3): 224-238.
Bauer, R.; Begerow, D.; Sampaio, J. P.; Weiß, M.; Oberwinkler F. (2006): The simple-septate basidiomycetes: a synopsis. Mycological Progress 5 (1): 41-66.
Liu, T.; Tian, H.; He, Sh.; Guo L. (2009): Microbotryum scorzonerae (Microbotryaceae),
new to China, on a new host plant. Mycotaxon 108: 245-247.
Scholz, H.; Scholz, I. (1988): Die Brandpilze Deutschlands (Ustilaginales). Englera 8. 691 S. Berlin.
Vánky, K. (1998): The Genus Microbotryum (Smut Fungi). Mycotaxon 67: 33-60.
Vánky, K.; Abbasi M. (2013): Smut fungi of Iran. Mycosphere 4 (3): 363–454.
Microbotryum scorzonerae auf der Niedrigen Schwarzwurzel
- Harry
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Re: Microbotryum scorzonerae auf der Niedrigen Schwarzwurzel
Hallo Botanicus,
interessante Vorstellung eines mir unbekannten Phytoparasiten. Mit der Nachsuche wird das aber hier im Saarland wohl nichts. Die Niedrige Schwarzwurzel gilt als stark gefährdet und soll nur im nördlichen Saarland an ein paar wenigen Stellen vorkommen. Es wäre wohl die Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen.
Danke für´s Zeigen.
Gruß
Harry
interessante Vorstellung eines mir unbekannten Phytoparasiten. Mit der Nachsuche wird das aber hier im Saarland wohl nichts. Die Niedrige Schwarzwurzel gilt als stark gefährdet und soll nur im nördlichen Saarland an ein paar wenigen Stellen vorkommen. Es wäre wohl die Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen.
Danke für´s Zeigen.
Gruß
Harry
Dass man immer noch lernen kann ist herrlich, und auch dass man andere dazu braucht.
Re: Microbotryum scorzonerae auf der Niedrigen Schwarzwurzel
Hallo Harry,
ja, einige westliche Bundesländer sind hier leicht im Nachteil: http://www.deutschlandflora.de/map.phtm ... =allGroups
Beste Grüße,
Botanicus
ja, einige westliche Bundesländer sind hier leicht im Nachteil: http://www.deutschlandflora.de/map.phtm ... =allGroups
Beste Grüße,
Botanicus
- Julia
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Re: Microbotryum scorzonerae auf der Niedrigen Schwarzwurzel
Hallo Botanicus,
ich war einige Zeit unterwegs, deswegen erst jetzt eine Reaktion von mir. Vielen Dank für die Vorstellung. Ich konnte diesen Pilz letztes Jahr in Baden-Württemberg finden, aber leider zu einem späten Zeitpunkt, er war quasi schon hinüber. Weiterhin existieren meine Bilder davon nicht mehr wegen eines Festplattencrashes.
Die Gattung Microbotryum ist immer wieder spannend, auch wenn sie, bis auf die verbrannt aussehenden Blüten, nix mit den richtigen Bränden gemein hat
Liebe Grüße Jule
ich war einige Zeit unterwegs, deswegen erst jetzt eine Reaktion von mir. Vielen Dank für die Vorstellung. Ich konnte diesen Pilz letztes Jahr in Baden-Württemberg finden, aber leider zu einem späten Zeitpunkt, er war quasi schon hinüber. Weiterhin existieren meine Bilder davon nicht mehr wegen eines Festplattencrashes.
Die Gattung Microbotryum ist immer wieder spannend, auch wenn sie, bis auf die verbrannt aussehenden Blüten, nix mit den richtigen Bränden gemein hat
Liebe Grüße Jule