- Ich darf euch heute mit Genehmigung von Thommy Pruß (PilzePilze-Forum - - >
http://www.pilzepilze.de/cgi-bin/webbbs ... ead=330713 ) Herzlichen Dank
ein Prachtexemplar einer „lila gefärbter Morchel“ vorstellen:
- - -> Er hat sie „Laccaria amethystina var. helvelloides“ getauft. Andere hatten „Aprilscherz, Bildbearbeitung, Halloween, Sehstörungen, etc.“ vermutet!!!
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Ok, jetzt Details zum Fund:
(1) Na klar hat Thomas den Fund (wenn man seinen Var.-Scherz ignoriert) korrekt bestimmt.
- - -> Denn es handelt sich um eine „Bildungsabweichung (Missbildung) eines Fruchtkörpers von „Laccaria amethystina (Hudson 1778) Cooke 1884“ (Violetter Lacktrichterling).
(2) Diese Bildungsabweichung (Missbildung) gehört in die Schublade "Prolifikation [1] = Proliferation [2]" - - -> von [prolifer (lat.), prolifère (frz.) = wuchern. Ein deutscher Ausdruck wird in meiner Literatur nicht angegeben. Ich würde "Hymenophor-Wucherung" vorschlagen.
[1] versteht darunter eine +-exzessive Bildung von Hymenophoren (Lamellen, Stoppeln, Röhren) bei in "Hut und Stiel" gegliederten Pilzen. Er unterscheidet drei Untergruppen, die er als nicht prinzipiell verschieden bewertet:
(a) "Pleurotoide Prolifikation" - - -> lappig-gekräuselte Aufgliederungen des Hutrands mit zum Erbdoden zeigendem Hymenophor
- Da habe ich auf die Schnelle (hatte 67Treffer mit dem Stichwort „Prolifikation, Autor „Gerd“ , Unterforum „Gruselforum) auf den ersten 4 Seiten nix passendes gefunden.
(b) "Inverse Prolifikation" - - -> Bildung von kleinen, stiellosen Hütchen (meist auf dem Hutscheitel, seltener am Hutrand) mit senkrecht oder schräg nach oben zeigendem Hymenophor bzw. direkt aus der Huthaut ohne Hutbildung herausbrechendem Hymenophor. Das Hymenophor kann mitunter auch gekräuselt sein und netzartig anastomosieren.
(c) "Morchelloide Prolifikation" - - - > der Extremfall, bei dem die gesamte Hutoberfläche von mannigfach deformierten Hymenophoren überzogen wird. Die Lamellen sind oft wabenartig vernetzt, der Hut ist so weit nach unten gebogen, dass er eine Kugelform annimmt und sein Rand den Stiel berührt.
- - - > Es leuchtet beim Betrachten des Funds sofort ein, warum dies eine „morchelloide Form“ ist.
- Wird übrigens im Spätherbst häufig bei „Laccaria spec.“ beobachtet.
- - -> Ein Bild einer anderen „Laccaria spec.“ mit dem gleichen Missbildungs-Typ hatten wir auch schon im Gruselforum gezeigt.
- Und, um zu zeigen, dass dieser Missbildungstyp eine große Variationsbreite hat noch einen Verweis in’s Gruselforum
- Und abschließend noch ein besonders filigraner Fruchtkörper dieser Kategorie.
Zurück zu dem Fund:
- - -> Hier kann ich erstmals nachvollziehen, warum diese „Bildungsabweichung“ - - > „morchelloid“ genannt wird!!!
- Und abschließend noch einen Hinweis:
- - -> Nicht jedes von der Norm abweichende Hymenophor kann man in diese Schublade (Prolifikation) schieben. [1] zeigt/beschreibt
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Über die Ursache herrscht Unklarheit. [1] Es werden folgende Ursachen diskutiert:
(1) Gendefekt oder Virusbefall
- Begründet wird diese Annahme damit, dass im Labor bei bestimmten Myzelien oder Kulturstämmen jahrelang diese Missbildung beobachtet wurde.
- - -> Ja, m.E. ein nachvollziehbares, überzeugendes Argument
(2) Witterungseinflüsse
- Z.B plötzlich einsetzende Regenfälle im Spätherbst, die eine randliche Wiederbelebung des Wachstums bereits vorhandener Fruchtkörper auslösen.
- - -> Dazu habe ich etwas in meiner Literatur gefunden:
[3] zeigt eine "morchelloide Prolifikation" eines Fruchtkörpers, der sehr stark an eine Morchel, Lorchel erinnerte und durch mikroskopische Bestimmung sich als Violetter Lacktrichterlings (Laccaria amethistrina) entpuppte. Er berichtet über seinen Versuch, diesen Fruchtkörper über Nacht für A. Bollmann zu retten und legte den Fruchtkörper "auf feuchtem Papier in einer Plastikdose in den Kühlschrank".
- - -> Doch oh Wunder: Der Fruchtkörper hatte sich über Nacht zu einem "+-normalen Lacktrichterling" umentwickelt. Dies würde die These stützen, dass auch Umwelteinflüsse eine derartige Missbildung verursachen können. Und das Besondere (weitere Literaturhinweise kenne ich nicht) ist, dass „witterungsbedingt“ derartige Missbildungen sogar rückgebildet werden können.
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Nochmals zurück zu deinem gezeigten Fund:
- Ich spekuliere jetzt einfach und halte eine wittereungsbedingte Ursache für plausibel:
- - -> Denn es ist schon erstaunlich, dass diese Missbildung bei dieser Art besonders häufig im Spätherbst beobachtet wird, wenn das Wetter Kapriolen schlägt!
Literatur:
[1] (ID-05008): Michael - Hennig - Kreisel (1983): Handbuch für Pilzfreunde, Band V, S26:62; 108-124
[2] (2001): H. Dörfelt/G. Jeschke (2001): Wörterbuch der Mycologie; 2. Auflage; Spektrum
[3] (ID-04837): Staudt E. (2000): Voll daneben !; Südwestdeutsche Pilzrundschau 36(2): 42-43
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Übrigens:
- Wem es bei diesem Wetter langweilig wird, dem empfehle ich diesen vor kurzem eingestellten Link
Grüße
Gerd