Geschwulst am Hut: Hydnum rufescens oder ellipsosporum

Missbildungen und Mutationen an Pilzen können hier vorgestellt werden - Forumsstart 14.03.2009
Wahl-Pilz-Sachse
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Geschwulst am Hut: Hydnum rufescens oder ellipsosporum

Ungelesener Beitrag von Wahl-Pilz-Sachse »

Hallo liebe Pilzfreunde,
eigentlich auf Kulturpilz.de beheimatet, wurde mir von "Harry" empfohlen diese Aufnahmen hier einzustellen, um ggf. die Ursache der Missbildungen am Hut zu klären.

Dieser Semmelstoppelpilz hat am Hut eine Art Wucherung, welch Ursache könnte sie haben?
(der Fruchtkörper wurde von mir getrocknet, falls Gewebe benötigt werden sollte)

Bild

Bild

Im Innern scheint alles "normales" Gewebe zu sein (keine Verfärbung o.ä).

Danke im Voraus

Jérôme
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Gerd †
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Re: Geschwulst am Hut: Hydnum rufescens oder ellipsosporum

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Jérôme,
Wahl-Pilz-Sachse hat geschrieben:Hallo liebe Pilzfreunde,
eigentlich auf Kulturpilz.de beheimatet, wurde mir von "Harry" empfohlen diese Aufnahmen hier einzustellen, um ggf. die Ursache der Missbildungen am Hut zu klären.

Dieser Semmelstoppelpilz hat am Hut eine Art Wucherung, welch Ursache könnte sie haben?
(der Fruchtkörper wurde von mir getrocknet, falls Gewebe benötigt werden sollte)

Bild

Bild

Im Innern scheint alles "normales" Gewebe zu sein (keine Verfärbung o.ä).
- Zuerst einmal herzlichen Dank für diese beeindruckende Bildungsabweichung (Missbildung).

- Aber mit deinen Bildern habe ich nach der mir verfügbaren Literatur ein Problem damit, eine eindeutige/korrekte "Schublade" für diese "Missbildung" und deren Ursache zu finden.
---> Mein Vorschlag: Den Fruchtkörper würde ich mir gerne einmal genauer anschauen. Sende mir bitte eine Email, damit ich dir meine Adresse zuschicken kann.
---> Und ob ich (ohne einen "Teratologie-Spezialisten") damit weiterkomme wird sich dann zeigen.

Beste Grüße
Gerd
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
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Harry
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Re: Geschwulst am Hut: Hydnum rufescens oder ellipsosporum

Ungelesener Beitrag von Harry »

Hallo Jérôme,

zunächst einmal ein herzliches willkommen im Forum.

Diese Missbildung scheint ja wirklich sehr schwer einzuordnen zu sein. Ich hoffe du hast den Fruchtkörper noch um ihn Gerd zusenden zu können.

@ Gerd

du kannst Mitgliedern ein E-Mail schicken ohne das du deren E-Mail Adresse hinterfragen musst. Einfach auf den Namen klicken und du findest in seinem Profil die Möglichkeit ihm eine Mail zu schreiben.

Gruß
Harry
Dass man immer noch lernen kann ist herrlich, und auch dass man andere dazu braucht.
Wahl-Pilz-Sachse
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Re: Geschwulst am Hut: Hydnum rufescens oder ellipsosporum

Ungelesener Beitrag von Wahl-Pilz-Sachse »

Ja Harry, der Fruchtkörper harrte im Eigenbau-Exsikkator der Dinge die da kommen.
Mal sehen ob der Versand noch vor dem Urlaub klappt.

Schönes Forum habt Ihr da!

Grüße

Jérôme
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Gerd †
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Re: Geschwulst am Hut: Hydnum rufescens oder ellipsosporum

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Harry,
Harry hat geschrieben: Diese Missbildung scheint ja wirklich sehr schwer einzuordnen zu sein. Ich hoffe du hast den Fruchtkörper noch um ihn Gerd zusenden zu können.
Das Hauptproblem ist, dass ich einige Details nicht beurteilen kann:

(a) Hat dieses Gebilde nur einen Stiel und wie sieht der aus?

(b) Haben die "Wucherungen" irgendwelche "Hymenophor-Reste/-Anteile"?

(c) Sind die Wucherungen "steril" oder findet man da auch noch "Fremdpilze"?

(d) etc.; Fragen über Fragen, die ich nach den Bildern nicht beurteilen kann.
-----------------

- Du weißt, dass ich äußerst kritisch bei der Beurteilung von Bildern bin!!!
- Und auch bei mitgelieferten "verbalen Zusatzdetails" bin ich oft erst einmal skeptisch, wenn ich die nicht nachprüfen/nachvollziehen kann.

---> Ich habe zwar ein paar Ideen, in welche Schublade man diese Missbildung evtl. ablegen kann. Aber, ohne diesen "sehr interessanten Fruchtkörper" in der Hand und makroskopisch/mikroskopisch untersucht/beurteilt zu haben, verweigere ich ohne "Anwalt" jede Spekulation.

---> Also erst einmal abwarten, bis mir der Fruchtkörper "zugespielt" wird. Dann schauen wir, ob ich dieser "Missbildung" etwas abgewinnen kann.

Liebe Grüße
Gerd
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Gerd †
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Re: Geschwulst am Hut: Hydnum rufescens oder ellipsosporum

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Jérôme,


Zuerst einmal Danke für die Zusendung des Trockenmaterials.
-----------------

- Bei deinem Fund kann man wegen der Sporenmaße (L x D = 5,9 – 6,9 – 7,9µm; Q = L/D = 1,07 –1,11 – 1,15; Vm = 143µm^3) Hydnum ellipsosporum völlig ausschließen.

- Auch H. repandum s.str. kann man bereits makroskopisch ausschließen:
---> Die Stacheln sind zu kräftig, stehen nicht eng genug zusammen, laufen nicht am Hut herab und die Hutfarbe passt nicht.

Fazit 1:

- Diesen Fund kannst du als Hydnum rufescens (Rotgelber Semmel-Stoppelpilz) ablegen.
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Doch jetzt zu den Bildungsabweichungen (Missbildungen), die man am Trockenmaterial besser beurteilen kann als auf deinen Bildern:

- Auffällig ist, dass aus einem miteinander verwachsenem Stiel sich zwei etwa gleich große Hüte entwickelt haben.

- Die Schublade, "Verwachsung (Pseudofasciation)", für diese Bildungsabweichung wurde bereits vorgestellt und diskutiert; z.B. viewtopic.php?f=34&t=3348
oder
viewtopic.php?f=34&t=3434&hilit=fasciation

Doch es gibt eine Abweichung gegenüber der „Normalform“ (z.B. bei Röhrlingen), bei denen sich die Stiele nach außen krümmen, damit sich das Wachstum der Hüte nicht gegenseitig behindert:
- Dies ist deinem „Stoppelpilz“ nicht gelungen und deshalb haben beide Hüte eine als untypisch anzusehende Form angenommen:
---> Einer der Hüte ist nur zur Hälfte ausgebildet und „seitlingsartig“ gestielt, der andere zusammengefaltet trichterförmig. Beide Hüte sehen übrigens auch recht „verknittert“ aus und sind ohne Verwachsung ineinander verwoben. Deshalb auch das „wirre“ Bild, bei dem man kaum erkennen kann, welche Anteile zu den Einzelhüten gehören.
---> Die Hutform würde ich unter diesen Umständen (gegenseitige Behinderung) nicht als „Missbildung“ sondern nur als „Wachstumsanpassung“ (und damit noch in der normalen Variabilität liegend) bezeichnen. Auch die Ausprägung der Stacheln ist völlig typisch und sie enden „abrupt“ oberhalb des Stielansatzes.

- Wenn man genauer hinschaut kann man noch folgendes feststellen:
(a) Die Stielbasis ist klumpig verdickt und fast waagrecht abgeknickt.
(b) An der Stielbasis wachsen noch zwei weitere kleinere, in ihrer Entwicklung gestörte Fruchtkörper.
Fazit 2:
- Die Stielverwachsung gehört in die Schublade "Verwachsung (Pseudofasciation)"
- Da offensichtlich 4 „Primordien (Fruchtkörperanlagen) beteiligt waren kann man den Fruchtkörper auch als „Vierfach-Fruchtkörper“ bezeichnen.
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Doch da gibt es ja noch „gallenartige“ Auswüchse am Hutrand. Schneiden man die auf, so stellt man fest, dass es sich um „stiellose, eingerollte mit dem darunter liegenden Hut verwachsene Einzelhütchen“ mit teilweise fehlenden oder „reduzierten“ Stacheln handelt.

- Und auch für diese Art von Missbildung gibt es die Schublade „Proliferation“, die wir bereits mehrfach in unterschiedlichen Ausprägungen bis hin zur Extremform „morchelloid“ vorgestellt und diskutiert haben.
- Übrigens scheinen diese „Auswüchse“ hier steril zu sein, da ich keine Sporen/Basidien gefunden habe.
- Das Gewebe erscheint normal zu sein und ich kann auch kein Fremdgewebe erkennen, das auf einen „Pilzbefall“ hinweisen würde.
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Jetzt bleibt nur noch übrig, über die Ursache dieser Missbildung zu spekulieren:

- Ich vermute eine „witterungsbedingte“ Ursache. Der extrem eingekrempelte Hutrand und der für diese Art recht kurze Stiel stützen meine Vermutung, dass hier insgesamt eine „trockenheitsbedingte“ Wachstumsstörung vorliegt und die Auswüchse nachträglich (vergleiche die helle Farbe der Auswüchse auf deinen Bildern) durch versuchte Regeneration entstanden sind.
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Abschlussbemerkung

- Ich habe zwar eine derartige „Bildungsabweichung noch nie beobachtet. Um so mehr erstaunt mich, dass fast zeitgleich Hier im Das-Naturforum.eu von Andreas ein ähnliches Bild eingestellt wurde.

Beste Grüße
Gerd
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
Wahl-Pilz-Sachse
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Re: Geschwulst am Hut: Hydnum rufescens oder ellipsosporum

Ungelesener Beitrag von Wahl-Pilz-Sachse »

Danke Gerd,

Ist ja interessant was man mit entsprechender Ausrüstung und Wissen aus so einem Fruchtkörper herausbekommt.
Ich halte die Augen offen und poste sobald es eine Grund gibt.

Bis Bald!

Jérôme
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Gerd †
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Re: Geschwulst am Hut: Hydnum rufescens oder ellipsosporum

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Jérôme,
Wahl-Pilz-Sachse hat geschrieben: Ist ja interessant was man mit entsprechender Ausrüstung und Wissen aus so einem Fruchtkörper herausbekommt.
Ich halte die Augen offen und poste sobald es eine Grund gibt.
Na ja, ich bin da ja auch nur "Hobbymykologe" und kein "Fach-Teratologe", der sich erst seit Kurzem "mit leider noch spärlicher Literatur" in dieses Gebiet einarbeitet:

- Aber, dein "Trockenmaterial" (kann man auf den Bildern nicht nachvollziehen) war m.E. so eindeutig, dass ich dem nicht mehr abgewinnen konnte.

---> Bei dieser Missbildung habe ich mich für eine "witterungsbedingte" Bildungsabweichung (schien mir am Wahrscheinlichsten) entschieden:
(1) Die Stielverwachsungen inkl. Mehrfach-Fruchtkörpern lassen m.E. kaum eine andere als die von mir angegebene Interpretation zu.
(2) Bei den "Auswüchsen am Hutrand" käme alternativ noch eine "Genmutation, Viren- oder Bakterienbefall" in Frage, die ich mit meinen Mitteln allerdings nicht nachweisen kann.

Grüße
Gerd

PS.:
- Freue mich schon auf weitere Fruchtkörper-Missbildungen.
---> Denn in diesem Unterforum haben wir den Ergeiz, möglichst viele untypische Fruchtkörper zusammenzutragen.Und dazu sind keine "Fach-Teratologen" gefragt sondern viele Pilzfreunde, die mit offenen Augen durch ihr Sammelgebiet laufen.
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