Diverse Missbildungen und Verwachsungen

Missbildungen und Mutationen an Pilzen können hier vorgestellt werden - Forumsstart 14.03.2009
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emmess2006
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Diverse Missbildungen und Verwachsungen

Ungelesener Beitrag von emmess2006 »

Hi liebes Forum, liebe Pilzgemeinde,

ich will hier mal die Gelegenheit nutzen, euch einige skurille Pilz-Funde aus meinem letzt- und diesjährigen Dänemark-Urlaub zu zeigen. Nicht alles von dem mag vielleicht spektakulär sein, hatte aber doch mein Interesse geweckt.

Da sind zunächst Funde, die ich inmitten von Nadelwäldern, bzw. an dessen Rändern gemacht habe und zwar an auffällig sandigen Stellen. Ob der Standort Einfluss auf das Wachstum und die Formgebung der Pilze hat, kann ich natürlich nicht beurteilen. Zunächst ein Beispiel für einige Boleten, die wir zum Teil regelrecht aus dem Sand ausgegraben haben, d. h., diese Pilze haben wir mehr oder weniger durch Zufall entdeckt, weil von den Pilzen nichts zu sehen war, außer auffälligen, kleinen Hügeln auf dem doch eher flachen und ebenen Sandboden. Erst als ich irgendwann mal so einen kleinen Hügel mit dem Finger berührt hatte, merkte ich, dass etwas darunter verborgen war - in diesen Fällen Fruchtkörper von - ich nehme es mal an - Boletus edulis. Einige der Pilze waren bis zu 35 cm lang und das fühlbare Ende befand sich immer noch im Sand. Das Ausgraben erwies sich als nicht so einfach ohne entsprechendes Werkzeug. Leider gelang es mir nicht festzustellen, ob das Myzel, das die Fruchtkörper hervorgebracht hat, den ganzen Sand durchdrungen hat. Irgendwann hatte man den Pilz einfach ohne Gewaltanstrengung in der Hand, als ob er so einfach lose mit dem Stiel im Sand gesteckt hätte. In einem "normalen" Habitat muss man sich ja manchmal ganz schön anstrengen, um einen Steinpilz aus seinem "Bett" herauszudrehen. Aber nun zu den Fotos, die auf den ersten Blick alles andere als typische Fichtensteinpilze zeigen, jedenfalls, was das rechte Exemplar angeht (der linke schaute bis zu der an der linken Seite zu erkennenden kleinen Beule aus dem Sand heraus - vielleicht deswegen die eher typische braune Färbung des Hutes?):

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Diesen Pilz habe ich zum Beispiel komplett aus dem Sand ausgegraben:
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Ein anderes Beispiel ist dieser Mehrfach-Fruchtkörper. Insgesamt wären es eigentlich sechs einzelne Pilze gewesen:
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Ähnlich merkwürdiges konnte man in Gras/Moos-Flächen entdecken, wenn man die relativ starke und dichte Moosschicht entfernte. Man fand entweder Boleten ohne Hut (habe ich dummerweise nicht fotografiert), oder aber Fruchtkörper, die einfach horizontal im Kreis gewachsen sind, weil sie vermutlich (?) nicht die Kraft hatten die Moosschicht zu durchbrechen (Annahme von mir):
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Zum Schluss noch ein paar Zwitter, die ich auf einem Grasweg und wieder auf sandigem Habitat gefunden habe:
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sowie ein Dreifach-Exemplar von Boletus badius:
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Ich hoffe, es war etwas interessantes für euch dabei.

Lieber Gruß,
Meinhard
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Gerd †
Forums Gott
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Re: Diverse Missbildungen und Verwachsungen

Ungelesener Beitrag von Gerd † »

Hallo Meinhard,
emmess2006 hat geschrieben: ich will hier mal die Gelegenheit nutzen, euch einige skurille Pilz-Funde aus meinem letzt- und diesjährigen Dänemark-Urlaub zu zeigen. Nicht alles von dem mag vielleicht spektakulär sein, hatte aber doch mein Interesse geweckt.
- Zuerst einmal herzlichen Dank für diesen Mix an Fruchtkörpern, die ich teilweise als noch in der "Variationsbreite" liegend bzw. als "Missbildung" (Bildungsabweichung) bewerte.

(1) Die nicht verwachsenen Exemplare liegen m.E. noch in der "Variationsbreite" und kann man nicht als "Missbildung" betrachten. Beachte:

- Steinpilze sind "Mykorrhiza-Pilze" und leben in Symbiose mit ihren Wirtsbäumen.
- Der Nährstoffaustausch erfolgt in der Wurzel des Wirtsbaumes: Der Pilz liefert "Wasser und gelöste Mineralien" an den Baum; der Baum "Einfachzucker" an den Pilz:

(a) Bei dem tiefgründigen Sandboden wundert es nicht, dass das Pilzmyzel "tiefere Bodenschichten" aufsucht und auch dort seine Fruchtkörperanlagen ausbildet.
---> Dies erklärt leicht die Ausbildung von langen Stielen, die die Hüte über den Erdboden anheben müssen, damit sie ihre Sporen verbreiten können.
---> Übrigens kann man regelmäßig beobachten (vergleiche z.B. junge "Parasole"), dass bei der Fruchtkörperentwicklung zuerst der Stiel gestreckt wird und dann erst die Hutaufschirmung erfolgt.

(b) Auch die helle Hutfarbe ist nicht sicher nicht untypisch, da sich häufig die endgültige Hutfarbe erst durch "Lichtzufuhr" oder evtl. verstärkte Luftzufuhr einstellt.

(c) "Gekrümmte oder gestauchte" Stiele kann man m.E. oft beobachten und würde ich eher als "standortbedingte" Wachstumsanpassung betrachten.
---> Der Steinpilz sollte m.E. (sofern kein unüberwindbares Hindernis die die Fruchtkörperentwicklung stört) in der Lage sein, ein "erdbehaftetes Moospolster" (auch wenn dünnere Ästchen im Wege stehen) zu durchbrechen.

---> Zugegeben, diese gekrümmten Stiele sehen schon etwas merkwürdig/untypisch aus. Aber, beachte bitte:
- Diese Fruchtkörper sind noch keinesweg voll entwickelt und befinden sich noch in der Phase der Stielstreckung. Und wenn ich mir das weitere Wachstum vorstelle, kann ich mir im Endzustand nichts wirklich "untypisches" oder gar eine "Missbildung" vorstellen.
- Auch für die noch stark gekrümmte Stielform gibt es m.E. gleich mehrere "natürliche" Erklärungen, die ich mir vorstellen kann: Die Stielkrümmung ist eine Reaktion auf einen Gegenstand, dem ausgewischen wurde; anfänglich fehleingeschätzte Wechselwirkung zwischen "Lichteinfall" (positiver Phototropismus) und "Schwerkraft" (Geotropismus).

(d) Bei deinen "hutlosen" Fruchtkörpern kann ich ohne Bild nur spekulieren. Der noch rel. kleine Hut (vergleiche dein Bild einer Mehrfachgruppe

---> Bild

, bei der ein "hutloser Stiel" dabei ist) wurde mechanisch abgerissen oder abgefressen. Auf diesem Bild ist recht gut zu erkennen, dass auch der "hutlose" Stiel einen Hut hatte.
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- Völlig anders beurteile ich deine Bilder, bei denen Stielbases und teilweise auch Hut/Hüte miteinander verwachsen sind.

---> Dies betrachte ich als "Missbildung" (Bildungsabweichung), Schublade "Verwachsung" (Pseudofasciation), die bereits mehrfach vorgestellt und diskutiert wurde. Und abhängung davon, wie viele Fruchtkörper miteinander verwachsen sind kann man da noch zwischen "verwachsenen" Doppel-/ 3-fach-/ 4-fach etc. Fruchtkörpern unterscheiden.

---> Aber ich bin da (vergleiche meinen Kommentar Hier etwas zurückhaltend und würde nicht jede nur schwache Verwachsung an der Stielbasis (dafür habe ich die schon zu oft gesehen) gleich als "Missbildung" bewerten.
emmess2006 hat geschrieben: Ich hoffe, es war etwas interessantes für euch dabei.
:zu: Du zeigst eine ganze Serie von ungewöhnlichen, sehr lehrreichen Fruchtkörpern.

- Und an meinen Kommentaren kann man sehen, dass die mir zugängliche Literatur "nur grobe Schubladen für Missbildungen" bereithält und auch die Zuordnung "individuellen" Spielraum (da gibt es einfach Grauzonen) zuläßt.

Beste Grüße
Gerd
- Ich mache nur Bestimmungsvorschläge und keine Essensfreigabe.
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