Hallo Fedi,
herzlichen Dank für's Zeigen dieser „Bildungsabweichungen“ („missgebildete Fruchtkörper“), die du völlig korrekt der Schublade „
Prolifikation“ (*) zugeordnet hast.
(*) [5] nennt diese Bildungsabweichung „Proliferation“, weist aber darauf hin, das in der Mykologie meist der Begriff „Prolifikation“ bevorzugt wird.------------------------------------------
- Und nun fasse ich einmal ein paar Hintergrundinformationen über diesen "Missbildungs-Typ" zusammen:
[1] bezeichnet die gezeigte Missbildung als Prolifikation; ein deutscher Name wird nicht angegeben.:
-Man versteht darunter +-exzessive Bildungen von Hymenophoren bei Hutpilzen, die sich als lappig-gekräuselte Aufgliederungen des Hutrandes („pleuroide“ Prolifikation“), als Bildung von Lamellen, Stacheln, Röhren auf dem Hutscheitel („inverse“ Prolifikation) oder im Extremfall als Überwachsung der gesamten Hutoberfläche mit einem aus gekräuselten Lamellen bestehenden oder wabenartigen Hymenophor („morchelloide“ Prolifikation) bemerkbar machen.
- Bei dem Extremfall "morchelloide Form" wird die gesamte Hutoberfläche von mannigfach deformierten Hymenophoren überzogen. Die Lamellen sind oft wabenartig vernetzt, der Hut ist so weit nach unten gebogen, dass er eine Kugelform annimmt und sein Rand den Stiel berührt. Diese Art der Missbildung wurde häufig insbesondere bei Laccaria spec. beobachtet. [1] zeigt noch ein Bild von BOUDIER (1890) einer „modchelloiden „Telamonia scutulatus“.
- [1] vermerkt, dass die o.g. genannten Prolifikations-Typen (invers, pleurotoid, morchelloid) allem Anschein nach nicht prinzipiell verschieden sind und mancherlei Zwischenformen vorkommen.
---> Wenn ich deinen Fruchtkörper korrekt beurteile, handelt sich eine ausgeprägt massive „inverse“ Prolfikation.
--------
[/b]Über die Ursache herrscht Unklarheit:[/b]
[1] diskutiert folgende Ursachen:
(1)
Gendefekt durch „Virenbefall(!?)
- Dieser Ursache liegt nahe, wenn im Labor bei bestimmten Myzelien oder Kulturstämmen jahrelang eine „Prolifikation“ beobachtet wurde.
---> Auf einen Standort im Feld projeziert, sollte man dann m.E. aber über Jahre hinweg an dieser Stelle gehäuft derartig missgebildete Fruchtkörper vorfinden.
(2)
Witterungseinflüsse
- Z.B. plötzlich einsetzende Regenfälle im Spätherbst, die eine randliche Wiederbelebung des Wachstums bereits vorhandener Fruchtkörper auslösen.
---> Dazu habe ich etwas in meiner Literatur gefunden:
[3] zeigt eine "morchelloide Prolifikation" eines Fruchtkörpers, der sich nach mikroskopischer Bestimmung als Violetter Lacktrichterlings (Laccaria amethistrina) entpuppte. Er berichtet über seinen Versuch, diesen Fruchtkörper über Nacht für A. Bollmann zu retten und legte den Fruchtkörper "auf feuchtem Papier in einer Plastikdose in den Kühlschrank".
---> Doch oh Wunder: Der Fruchtkörper hatte sich über Nacht zu einem "+-normalen Lacktrichterling" umentwickelt. Dies würde die These stützen, dass auch Umwelteinflüsse eine derartige Missbildung verursachen können.
Mein Fazit:
- Als „Feldmykologe“ kann ich zur Ursachenforschung nichts beitragen und erfreue mich einfach an „Profilikationen“ von denen in diesem Unterforum bereits eine ganze Reihe gezeigt wurden, u.A.:
Semmel-Stoppelpilz
Dachpilz
Marone
Pfifferling
Rettich-Helmling, „morchelloid“
Trompetenschnitzling“morchelloid“
------------------------
Jetzt bleibt noch zu klären, welche Art das ist:
- Ganz sicher (*) kein "Semmel-Stoppelpilz" (Hydnum repandum ss. str.)
[*) Beachte "Verhältnis Hutdurchmesser/Stiellänge", "Stachelform, -abstand", "fehlendes Herablaufen der Stacheln am Stiel".
- Ein Blick in's "Scharfe Auge" (Mikroskop) würde schnell klären, ob es sich um "Hydnum rufescens" oder "Hydnum ellipsosporum" handelt.
---> Ansonsten würde uns die beantwortung folgender Fragen "spekulativ" weiterhelfen:
(1) Max. Hutdurchmesser der Fruchtkörper in der Umgebung,
(2) Ist der Boden "sauer und nährstoffarm"?
Literatur:
[1] (ID-05008): Michael - Hennig - Kreisel (1983): Handbuch für Pilzfreunde, Band V, S26:62
[2] (ID-00144): Krieglsteiner G. J. (1996): Bildungsabweichungen oder eigenständige Taxa ?, Beihefte zur Kenntnis der Pilze Mitteleuropas X
[3] (ID-04837): Staudt E. (2000): Voll daneben; Südwestdeutsche Pilzrundschau 36(2): 42-43
[4] (ID-06369]: Geiter R. (1997): Ungewöhnliche Bildungsabweichungen an Pilzen; Tintling 4:20-21
[5] (2001): H. Dörfelt/G. Jeschke (2001): Wörterbuch der Mycologfie; 2. Auflage; Spektrum