Frage zum "Weißdorngitterrost"

Spezialforum zum Thema phytoparasitische Kleinpilze ( Rost, Brand, Mehltaupilze etc. ) und tierische Gallen an Wild.- und Nutzpflanzen. Forumsstart - 15.07.2006
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AK_CCM
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Frage zum "Weißdorngitterrost"

Ungelesener Beitrag von AK_CCM »

Hallo Rostpilz-Spezis,

ein Vereinskollege hält morgen einen Vortrag über die Königsbrunner Heide mit Schwerpunkt auf den Blütenpflanzen. Er möchte aber in seine Präsentation einen Rostpilz einbauen, konkret Gymnosporangium clavariaeforme - seltsam, was mein eher beiläufiges Interesse an Rostpilzen für Blüten treibt... ;)

Jetzt wollte er von mir wissen, wie der Entwicklungszyklus abläuft. Da habe ich noch so meine Probleme, da er auch die Begriffe "Sommersporen" und "Wintersporen" aufgeworfen hat. Ich versuche mal, das Ganze zu skizzieren: Im Frühjahr entstehen an den verdickten Wacholderästen (Hauptwirt?) längliche, galllertige und orangefarbene Fruchtkörper (stimmt der Begriff?). Dort werden Teliosporen gebildet? Teliosporen sind die "Wintersporen"? Aus den Sporen keimen dann Basidien, deren Basidiosporen die Blattoberseiten des Weißdorns (Zwischenwirt?) befallen?

An dieser Stelle wird der Kreislauf für mich unklar: Auf den Blättern gibt es Flecken, an denen auch Sporen (Konidien?) gebildet werden? Sie werden von Insekten auf andere Blätter der Umgebung verschleppt, um möglichst viele Blätter zu infizieren? Falls das zutrifft: Warum machen die Insekten das bzw. was haben sie davon? Werden sie durch einen besonderen Geruch angelockt?
Und dann werden auf der Blattunterseite "Wucherungen" (wie nennt man das Dingens) gebildet, die bei Reife in Längsschlitzen aufreißen und die Aeciosporen (Sommersporen?) frei geben? Diese wiederum werden vom Wind auf Wacholderbüsche transportiert? Dort befallen sie den Wacholder und überwintern unter der Rinde?

Kann mir das bitte jemand verständlich aufdröseln?

Besten Dank im voraus!

Gruß, Andreas
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Dedimyk
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Re: Frage zum "Weißdorngitterrost"

Ungelesener Beitrag von Dedimyk »

Hallo Andreas und natürlich alle Phytoparasitenfreunde,

da haben sich aber alle ganz schön bedeckt gehalten bei Deiner Fragestellung, habe bewußt bis heute vormittag mit der Beantwortung gewartet und wollte keinem vorgreifen. :lol:

Also werde ich mal versuchen, das Rostpilzphänomen einigermaßen verständlich zu erläutern:

Zunächst unterscheiden wir bei den Rostpilzen 2 verschiedene Entwicklungen:

1.Der Rostpilz durchläuft seine gesamte Entwicklung 0-Pyknien, I-Aezien, II-Uredien und III-Telien auf nur einem Wirt, d.h. er führt keinen Wirtswechsel durch. Dabei verkürzen einige Arten diese Entwicklungsreihe durch auslassen von Sporenformen, einige extrem auf nur noch III-Telien.

2.Eine recht große Anzahl von Rostpilzarten bildet 0-Pyknien und I-Aezien auf dem sogenannten Haplonten ( Aezienwirt ) aus und wechselt dann auf eine völlig andere Wirtspflanze, den sogenannten Dikaryophyten ( Telienwirt ) um seine Entwicklung von II-Uredien und III-Telien zu vollenden. Auch hier können Sporenformen ausgelassen werden.
Dieser Fall gilt für die vorliegende Gymnosporangium clavariiforme.

Also beim sogenannten "Weißdorngitterrost" Gymnosporangium clavariiforme ( Jaq. 1801) De Candolle 1805, Schreibweise G. clavariaeformis resultiert noch aus Erstveröffentlichung Tremella clavariiformis Jacq. ex Pers. [as 'clavariaeformis'], Syn. meth. fung. (Göttingen) 2: 629 (1801) werden im Frühjahr auf dem Dikaryophyten (Telienwirt) Juniperus communis Wacholder die III-Teliosporen ausgebildet.

Die Teliosporen sind die ins Gespräch gebrachten "Wintersporen", da die Uredio, -und Teliosporenlager im Spätsommer/Herbst auf dem Dikaryophyten gebildet werden, auf ihm überwintern und im Frühjahr die Teliosporen freigesetzt werden.

Im Falle des Dikaryophyten Wacholder werden nur III-Teliosporenlager gebildet.

Sporenverbreitung geschieht nur durch Wind ( keine Insekten ), wobei die Sporen zwar wegen ihrer geringen Größe weit fortgetragen werden können, aber als sichere Infektionsentfernung wird ein Wert von ca. 500m angegeben.
In diesem Bereich muß der Haplont vertreten sein, um eine sichere Infektion zu gewährleisten.
Als Haplonten ( Aezienwirte ) für Gymnosporangium clavariiforme fungieren: holzige Rosaceae wie Amelanchier, Crataegus, Cydonia, Malus, Pyracantha, Pyrus und Sorbus.

Die Teliosporen infizieren den Haplonten Crataegus und dieser bildet dann die 0-Pyknien sind die Flecken mit Pyknien- oder auch Spermogonien genannt aus. In der weiteren Entwicklung entstehen dann die I-Aezien, die gerade bei Gymnosporangium durch die blattunterseitigen futuristisch anmutenden orangefarbenen bis braunen Schwielen ( Hörner ) der Sporenlager gut zu erkennen sind.

Die I-Aezien sind die sogenannten "Sommersporen" die dann wieder zum Dikaryophyten wandern, die Infektion auslösen und der Kreislauf beginnt aufs Neue.

Ich hoffe, daß ich damit den Lebenszyklus des "Weißdorngitter-Rostes" einigermaßen anschaulich erklärt habe, wenn noch Fragen sein sollten, dann bitte stellen.


:ci Detlef
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AK_CCM
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Re: Frage zum "Weißdorngitterrost"

Ungelesener Beitrag von AK_CCM »

Hallo Detlef,

zunächst einmal vielen Dank für die ausführliche Antwort!

Ich versuche es nochmals zusammenzufassen: Im Frühjahr werden an Wacholder Teliosporen (III, "Wintersporen") gebildet, die typisch für Puccinia jeweils aus zwei Zellen bestehen im Gegensatz zu den einzelligen Teliosporen von Uromyces-Arten.

Die Teliosporen fallen auf den Boden, jede Zelle bildet eine längliche Basidie aus und produziert jeweils 4 Basidiosporen (IV). Basidiosporen können bei der Landung auf einem ungeeigneten Zielort (falscher Wirt) Schleudersporen produzieren und dadurch die Trefferquote erhöhen.

Wenn die Sporen schließlich durch den Wind ein Weißdornblatt (Wirtswechsel) erreichen, keimen sie aus und infizieren es über die Spaltöffnungen. Dann werden auf der Blattoberseite Pyknosporen (0) gebildet. Diese riechen in Massen süßlich, wodurch Insekten angelockt werden (siehe Vorlesungen Prof. Oberwinkler). Jetzt ist mir aber immer noch unklar, ob die Insekten weitere Blätter infizieren oder sie "nur" die Pyknosporen zu den Empfängsnishyphen transportieren - oder vlt. sogar beides?

Nachdem der Zellkern der Pyknospore von der Empfängnishyphe "geschluckt" wurde, werden auf der Blattunterseite Aeziensporen (I, "Sommersporen") gebildet.

Die Aeziensporen gelangen wiederum über die Luft an Wacholderzweige (Wirtswechsel). An dieser stelle ist mir unklar, ob die Sporen überwintern und erst im Frühjahr auskeimen oder ob sie noch vor dem Winter auskeimen und unter der Rinde an den typisch verdickten Stellen überwintern?

Im Frühjahr werden dann die Teleutosporen in Form von gallertigen, orangefarbenen Fk. gebildet und der Zyklus geht weiter.

Entschuldige bitte, falls ich Dich nerve, aber nur durch Schreiben kann ich mir Dinge einprägen. Und wenn ich mich schon mal mit dem Thema auseinandersetze, dann so, dass ich es danach auch vollständig verstanden habe. Schließlich will ich auch meinen Vereinskollegen keinen Schmarrn erzählen. :)

Gruß, Andreas
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AK_CCM
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Re: Frage zum

Ungelesener Beitrag von AK_CCM »

Hoppla,

irgend etwas stimmt nicht, weil die Uredosporen noch in meiner Zusammenfassung fehlen. Aber ich brauche jetzt erst einmal dringend eine rostpilzfreie Pause. *g*

Vielleicht kannst Du ja inzwischen meine Zusammenfassung analysieren, wo mir etwas unklar ist und wo ich die Uredosporen vergessen habe (wahrscheinlich auf dem Hauptwirt Wacholder?)

Gruß, Andreas
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Dedimyk
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Re: Frage zum "Weißdorngitterrost"

Ungelesener Beitrag von Dedimyk »

Hallo Andreas,

komme erst jetzt dazu Deine Zusatzfragen zu beantworten, da ich mit meiner Frau fast den halben Tag beim Arzt und dann beim Röntgenarzt noch verbrachte.

Also die Urediosporen kannst Du bei der Gymnosporangium clavariiforme vergessen, die gibt es nicht ( siehe meinen Erstbeitrag ).
Sonst, wenn es sie gibt, dann werden sie vor den Teliosporen auf dem Dikaryophyten gebildet.

Deine nachfolgende Erläuterung zu den Pyknien:

Wenn die Sporen schließlich durch den Wind ein Weißdornblatt (Wirtswechsel) erreichen, keimen sie aus und infizieren es über die Spaltöffnungen. Dann werden auf der Blattoberseite Pyknosporen (0) gebildet. Diese riechen in Massen süßlich, wodurch Insekten angelockt werden (siehe Vorlesungen Prof. Oberwinkler). Jetzt ist mir aber immer noch unklar, ob die Insekten weitere Blätter infizieren oder sie "nur" die Pyknosporen zu den Empfängsnishyphen transportieren - oder vlt. sogar beides?

kannte ich bis dato noch nicht und kann dazu auch leider nichts sagen.

Sonst scheinen mir Deine Ausführungen schlüssig zu sein.
Die nur kurzzeitig gebildeten IV-Basidiosporen hatte ich bei meinen Ausführungen unterschlagen, da sie bei Untersuchungen meist ignoriert werden, aber Du hast die gut erklärt.

Ich wünsche Dir viel Erfolg beim Vortrag.

:ci Detlef
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AK_CCM
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Re: Frage zum

Ungelesener Beitrag von AK_CCM »

Hallo Detlef,

Danke für Deine Antwort - ich konnte sie noch rechtzeitig lesen, bevor ich los fuhr.

Hatte den Part mit den nicht vorhandenen Uredosporen schlicht überlesen. Gut zu wissen, dass ich mit meiner Annahme, sie würden auf dem Hauptwirt gebildet werden, richtig lag.

Bzgl. meiner Pyknosporen-Insekten-Frage versuche ich von Prof. Oberwinkler eine Antwort zu bekommen. Vielleicht ist er so freundlich, sie mir zu beantworten.

Den Vortrag hielt übrigens ein Vereinskollege, nicht meiner einer. Leider konnte ich unseren Vorsitzenden nicht davon überzeugen, mich nächstes Jahr einen Vortrag über Rostpilze halten zu lassen. Er meinte, dass das Thema für unsere Vereinsmitglieder zu speziell ist. Diesbezüglich musste ich ihm Recht geben, da sich unter den Besuchern der Vorträge etliche "Nur-Speisepilz-Sammler" befinden. Statt dessen habe ich ihm den Vorschlag unterbreitet, 2008 über die Pilze der Königsbrunner Heide zu referieren und dabei auch ein paar Rostpilze vorzustellen. Damit war er voll und ganz einverstanden - das ist doch was?!

Gruß, Andreas
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