Hallo Kurrt,
kurtjegle hat geschrieben:
Hallo Stefan
Entsteht die Besiedlung von lebendem und totem Holz nur mittels Pollenflug? Wenn ein Pollen auf nicht adäquatem Substrat landet, dann stirbt er wohl einfach, oder? Wie kommt er aber dann in das marode Innere eines Stammes, wenn das Aeussere noch völlig gesund ist? Oder gelangen sie wie z.B. die Ganoderma über Risse und ähnliche Verletzungen in den bis änhin gesunden Kern und starten dort die Weissfäule?
- Ich versuche einmal deine Fragen (bin zwar nicht STEFAN „ggg“) schnell heruntergeschrieben und grob zu beantworten:
(1) Pilze (sind keine „Pflanzen“!!!) bilden keine
„Pollen“ sondern verbreiten sich über
„Sporen“, die „sexuell“ durch „Kernverschmelzung und anschließender Reduktionsteilung“ (Meiosporen) oder „vegetativ“ (Mitosporen) erzeugt werden.
(2) Die Frage, ob Pilze nur durch „Sporenflug“ lebendes oder totes Holz besiedeln muss man m.E. im Sinne von „Radio ERIWAN“ wie folgt beantworten:
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Im Prinzip JA, sofern die Sporen unter geeigneten Witterungsbedingung auf ein geeignetes Substrat fallen und der Baum seine Abwehrkräfte nicht wirkungsvoll aktivieren kann:
---> Aber auch ein „Überspringen“ des Myzels bei Substratkontakt oder (insbesondere bei „wurzelbündigen“ Pilzarten) über „Rhizomorphe“ (sterile, wurzelähnliche Myzelstränge) ist nicht ungewöhnlich.
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So nebenbei: Ein „derartiges Überspringen“ habe ich letzte Woche beobachtet: Da zeigten sich Fruchtkörper von
„Hypholoma capnoides (Graublättriger Schwefelkopf)“ auf einem Buchenstamm, der quer über einer von „Hypholoma capnoides“ befallenen Fichte lag.
---> Ich kann mir hier (H. capnoides ist ein Nadelholz-Bewohner) nicht so recht vorstellen, dass die Buche durch „Sporen“ infiziert wurde.
(3) Die Frage nach den potentiellen Infektionsstellen ist einfach zu beantworten:
- Ein vitaler, lebender, nicht beschädigter Baum bietet kaum eine Angriffsfläche für eine Pilzinfektion durch holzzersetzende Pilze:
(a) Die unbeschädigte Rinde ist besonders widerstandsfähig und kann eine „Pilzinfektion“ wirkungsvoll abschmettern.
---> Grund: Enthält nur ca. 20% Zellulose und einen erhöhter Anteil an „toxisch“ wirkender Gerbsäure.(b) Nur die Wurzeln (insbesondere die „Wurzelspitzen“) bieten eine potentielle Angriffsfläche für einen Pilzbefall.
---> Aber, sogar diese Feinwurzeln werden, sofern durch Mykorrhizapilze besiedelt, durch deren um die Feinwurzel gesponnenen Myzelmantel weitgehend vor einem Befall durch „parasitäre“ Pilzarten geschützt.
(4) Du kannst vereinfacht gesagt davon ausgehen, dass eine Pilzinfektion praktisch nur über eine Wunde (hervorgerufen z.B. über Astbruch/-schnitt, Rindenverletzung auch im Wurzelbereich) oder absterbende/abgestorbene „Äste“ erfolgt. Und dann bevorzugt nur, wenn es dem Baum nicht gelingt, schnell und wirkungsvoll die Wunde zu schließen.
---> Die Schwachstelle bleibt der Wurzelbereich, bei dem z.B. aggressive „Schächeparasiten“ wie „Hallimasch“ und „Wurzelschwamm“ über „Wurzelkontakt“ oder über „Rhizomorphen“ noch lebende (aber vermutlich geschwächte Bäume) infizieren können.
(5) Interessant ist noch folgender Aspekt: Bei der „Wunde“ kommt es auch noch auf den Ort am Baum an.
---> Vergleiche „Ökologische Nischen“ im Anhang.
(6) Ansonsten sollte man zwischen einem Befall noch „lebender Bäume“ und „Todholz“ unterscheiden.
---> Bei „lebende Bäumen“ besiedelnde „Schwächeparasiten“ geht man davon aus, dass eine Fruchtkörperbildung an Baumstümpfen oder gefällten Stämmen eine Folgeerscheinung einer Infektion am noch „lebenden Baum“ ist.
--->
Anders ausgedrückt: Das Holz wurde vermutlich bereits vor dem „Fällen“ infiziert und das Myzel kann sich nach Wegfall der natürlichen Abwehrreaktion des Baumes „üppiger“ entwickeln und Fruchtkörper ausbilden.
Noch eine Abschlussbemerkung:
- Das Äußere des Baumes ist m.E. höchstens „scheinbar“ intakt, wenn das Innere durch einen holzabbauenden Pilz zersetzt wird:
---> Als Eintrittspforte für den Pilzbefall gibt es m.E. grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die eine Pilzinfektion bei „scheinbar“ intakter Rinde vortäuschen können: (a) eine rel. kleine „Wunde“, die zwischenzeitlich „überwallt wurde“ oder (b) eine Infektion über den „Wurzelbereich“, die ungleich schwieriger (es sei denn, man kennt die Pilzart und/oder das Schadbild) zu bewerten ist.
---> Bei deiner durch „Blitzschlag“ schwer geschädigten Eiche hatte der Baum (auch wenn er noch so vital war und die Schadstelle notdürftig durch teilweise „nachträgliche Überwallung“ repariert hat) keine Chance sich gegen die Pilzinfektion zu wehren.
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kurtjegle hat geschrieben:
Ich sehe inzwischen die Pilzumwelt auf meinem Land mit ganz anderen Augen als noch zuvor. Damals gab es essbare und andere. Gut, von Mykorrhiza hatte ich schon etwas Ahnung
- Deine Bemerkung ist für mich ein
„Erfolgserlebnis“ und zugleich ein Ansporn weitere „Pilzfreunde“ zu infizieren, über den Tellerrand hinaus zu schauen und sich auch für Zusammenhänge zu interessieren.
---> Finde ich übrigens zwischenzeitlich viel interessanter, als sich mit Arten-/Var.- oder Formen-Konzepten (*) herum zu schlagen, bei denen „n“ Autoren „n+1“ unterschiedliche Einschätzungen verbreiten.
---> Ok, damit schlage ich mich gelegentlich (ohne Autoritätsglauben!!!) auch rum, wenn ich einen „Sippenkomplex“ aus eigener Anschauung bewerten kann. Zuletzt
HIER.
(*) Ist auch verständlich, da jeder Bearbeiter sein eigenes Artkonzept (ohne das nachvollziehbar begründen zu müssen!) vorstellen darf.
===> [/b]Meine Aufforderung an ALLE:[/b]
- Zeigt weniger „Autoritätsglauben“, sondern beurteilt Funde verstärkt auch nach eigener Beurteilung.
- Und als Pflichtlektüre (kritische Äußerungen von anerkannten Profis) empfehle ich:
[1] Clemencon (1988): Die Basidie; ZfM 54(1)
[2]
E. Mayr (2000): Das ist Biologie. Die Wissenschaft des Lebens; Spektrum
---> Einer der bekanntesten Biologen des letzten Jahrhunderst, der sich hier sehr kritisch zum Thema „Biologie als Wissenschaft“ äußert.
[3] H. Romagnesi (1977): Sur la multiplication excessive des genres en mycologie; Bull. Doc. Myc. Fr. 93(2):233-259. In Deutsch auch in APN (1987)-5(1):30-53 erschienen.
[4] T.W. Kuyper (1987): Reflektionen über taxonomische Erkenntnisse; Beitr. z. Kenntnis der Pilze Mitteleuropas 3:55-61
[5] R.P. Korf (2005): Reinventing taxonomy: a curmulgeous view of 250 years of fungal taxonomy, the crisis in biodiversity and the pillfalls of the phylogenicticage; Mycotaxon 93:407-415
[6] G.J. Krieglsteiner (1987): Wege aus der taxonomischen Sackgasse; APN 5(1):53-69
[7] etc., etc. …
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Und abschließend noch wenige Quellen, die du dir beschaffen solltest:
[1] H. Jahn (1979). Pilze die an Holz wachsen; Busse-Verlag
---> Gibt es zwischenzeitlich als Nachfolgeauflage (verm. in einem anderen Verlag;habe das nicht nachgeprüft)
[2] H. Butin (1996): Krankheiten der Wald- und Parkbäume; Thieme-Verlag
---> Ist übrigens unser Mitglied HEINZ (Prof. Heinz Butin, bekannter Forstpathologe), der „so hoffe ich“ meine Beiträge auch bewertet und mich evtl. korrigiert, wenn ich als Amateur „Mist“ verbreite.
[3] H. Butin et al. (2003). Farbatlas Gehölzkrankheiten; Ulmer Verlag
---> Ein hervorragendes Buch, das in Farbbildern allerdings mehrheitlich keine holzzersetzende Pilze zeigt.
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Ok.: Ich zeige noch als Anhang wenige Übersichtsfolien (etwas wahllos herausgegriffen aus meinem Fundus) zu diesem Themenkomplex.
Grüße
Gerd
PS.:
- OK, meine Anhänge bringe ich noch als Nachtrag. Muss da noch geeignete Folien aus meinem Fundus heraus suchen/extrahieren.
Nachtrag: 05.11.2009:02:05Uhr (in blauer Schrift)
- Hier noch als Anhang die versprochenen Folien (teilweise ziemlich alt) aus meinem Fundus. Beachte dabei bitte, dass es nur "Übersichtsfolien" sind und die Detailfolienh den Rahmen des Forums sprengen würden.
- So nebenbei: In meinen "Uraltfolien" taucht noch der Begriff "Saprophyt" auf.
---> Den mag ich zwischenzeitlich (Pillze sind schließlich keine Pflanzen) nicht mehr und bitte dich diesen Begriff durch "Saprobiont" zu ersetzen